Lederjackenwetter, das klingt nach Herbst, und das rote, regenbenetzte Ahornblatt auf dunklem Grund, das Frída Ísbergs zweisprachigen Gedichtband in der Ausgabe des Elif Verlags (2021) schmückt, verstärkt diesen Eindruck auch noch. Aber wer davon auf düster-melancholische Naturdichtung schließt, irrt. Das Wetter mag in Island zu jeder Jahreszeit rau sein, Lederjacke trägt das lyrische Ich jedoch, um sich selbst und seine Seele vor Blicken, Zuschreibungen und Verletzungen zu schützen – wie eine zweite Haut eben.
WeiterlesenLederjackenwetter. Gedichte
Nature Writing persönlich
Nature Writing – ein Genre mit langen, verschlungenen Wurzeln, die in Deutschland Dank der Nazis in den 1930er gekappt wurden (Stichwort „Blut und Boden“), sodass es hierzulande erst seit ein paar Jahren verstärkt wiederentdeckt wird. Meist geht es darum, die eigene Naturerfahrung in Worte zu fassen; Amerikaner suchen dafür traditionell eher nach ‚unberührter‘ Natur, Briten widmen sich der vom Menschen mal ge-, mal verunstalteten Natur und im deutschsprachigen Raum könnte man die gefühlsbetonten Naturbetrachtungen der Romantik oder auch Esther Kinskys „Geländeromane“ anführen. Doch wenn ich mit Kinder und Jugendlichen zum Natur Writing rausgehe, wird die Sache sowohl handfester als auch weiter:
WeiterlesenVersiert verdichtet: „Couplets“
Was für ein Debüt, was für ein wunderbares Buch: Maggie Millners Couplets. A Love Story mag mit 97 Seiten (Farar, Straus and Giroux 2023) auf den ersten Blick als Leichtgewicht erscheinen, hat es aber in sich. Ein kurzer Roman über Liebespaare in Paarreimen, sprachlich genau und voller hintersinnigem Humor, in dem es vordergründig um eine Dichterin geht, die sich zum ersten Mal in eine Frau verliebt, und dafür ihren langjährigen Lebensgefährten verlässt, in dem noch so viel mehr gereimt wie ungereimt erzählt wird – über Liebe und Lieben, Begehren, Ängste, das Leben und wie wir uns und andere sehen und be-schreiben – ein Buch, das lange nachhallt.
WeiterlesenNatürlich lesen!
Gewiss, das Frühaufstehen ist meine Sache nicht, aber für die heutige Lesung in der Alfred-Krupp-Schule in Essen hat es sich allemal gelohnt. Wobei es vielmehr war als „nur“ eine Lesung, es war Begegnung, Diskussion, Gedankenaustausch, Mini-Workshop und Lesung in einem.
WeiterlesenEigensinnig: Das Gedicht ist, was es tut
Längst hatte ich endlich mal ein Buch mit Gedichten und/oder Gedanken von Elke Erb haben wollen, aber irgendwas kam immer dazwischen, zuletzt sogar ihr Tod. Bis ich in diesem Jahr „Das Gedicht ist, was es tut“ unter meinen Geburtstagsgeschenken fand – Elke Erbs Berliner Rede zur Poesie des Jahres 2018 als zweisprachiges Buch, dessen englischsprachige Hälfte von Shane Anderson übersetzt wurde.
WeiterlesenNature Writing vorgelesen
Wie kommt die Natur in die Literatur, könnte man fragen, denn in Deutschland ist das Genre Nature Writing nach wie vor nicht allzu weit verbreitet. Dabei geht ohne Natur – und zwar sowohl in Form unserer Um- und Mitwelt als auch als Teil von uns selbst – eigentlich gar nichts. Was sich im Park erleben lässt, wie wir uns selbst als Natur erfahren und was es mit einem Menschen macht, sich selbst zu verlieren, um diese und andere Themen geht es bei meiner Lesung am Donnerstag, den 27. Juni 2024 in de Stadtteilbibliothek in Essen-Huttrop:
WeiterlesenMagisch: „Die Gouvernanten“
Einfach bezaubernd ist Anne Serres kurzer Roman „Die Gouvernanten„, so eigen, schön und einnehmend, dass ich lesend die 92seitige Übersetzung von Patricia Klobusiczky erst verschlang, dann mich bewusst einbremsend auf jeder dritten Seite etwas Wunderbares hätte unterstreichen mögen, gegen Ende das Büchlein tagelang nicht mehr anfasste, um das unvermeidliche Erreichen der letzten Seite herauszuzögern. Liebend gern wäre ich mit den drei Gouvernanten noch viel länger, vielleicht auf immer in dem großen Haus im Park geblieben.
WeiterlesenKalenderblatt
Unweigerlich umgedreht ein jedes
wird Kalenderblatt um Kalenderblatt
verwandelt zum Großsegel deines Bootes
und meine Bewegung entfacht den Wind
der dich weiter und weiter forttreibt
von dem Ufer des Lebens
an dem ich stehe
während du schläfst
für immer
allein
(für meinen Vater // von Mischa Bach)
Eierstocklotterie
Ist es fair, dass die einen erben und die meisten anderen leer ausgehen? Das ist doch die reine Eierstocklotterie, wie es Nora Abdel-Maksoud treffend in „Jeeps“ nennt. Rafael Sanchez hat das Stück jetzt am Essener Grillo-Theater inszeniert und ich hatte ziemlich viel Spaß an der schwarzen Komödie, die er daraus macht.
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