Tallinn in fünf Tagen und einem halben (2)

Da für den Montag das ‚trockenste‘ Wetter vorhergesagt war, brachen wir nach dem späten Frühstück mit Regenschirmen bewaffnet zur Bushaltestelle auf, um mit dem Bus hinaus nach Kadriorg zu fahren – um dort den großen, gleichnamigen Park und das Schloss Katharinental (so der deutsche Name) samt historischer Kunstsammlung zu besuchen.

Und, siehe da, im Inneren begegneten wir dann doch noch sommerlich geprägtem Gartenglück in der Ausstellung Garden of Delights. The Seventeenth Century in Bloom – wobei das mit dem 17. Jahrhundert auf die Stücke aus der Sammlung zutrifft, denen jedoch sehr viel modernere Ansichten entgegengesetzt wurden, wie man hier unschwer erkennen kann:

Endlos konnte man hier Blumen und Blütenmuster entdecken, wobei es besonders passend schien, dass die modernen Werke niederländische Urheber hatten, ganz so, wie viele der alten Schätze im Schloss. Ein ganz eigener Schatz ist das „Kinderzimmer“ (estnische Museen denken das junge Publikum stets mit) als Spiel- und Rückzugsraum für kleine Besucherinnen und Besucher:

Auch Gruseliges gibt es im Schloss zu entdecken, denn nicht nur Kunstgegenstände, auch naturwissenschaftliche Objekte sammelte man im 17. Jahrhundert mit Leidenschaft – wobei nicht alles immer mit rechten Dingen zuging, wie man hier hoffentlich sieht:

Liebend gerne hätte ich einen Ausstellungskatalog erworben oder ein Buch über die Bilder der Sammlung. Mir war weder klar gewesen, dass es so etwas wie barocke Meta- oder doch wenigstens „Spiegelkunst“ gibt, noch hatte ich eine Ahnung davon, dass der Impressionismus es bis nach Russland geschafft hat (was natürlich nur meiner Gedankenlosigkeit geschuldet ist) und William Turner in Tallinn einen Malbruder im Herzen hatte. Leider waren die Kataloge teure Wälzer, kaum nach Hause zu transportieren.

Angeblich ist der Mantelpavian aus Silber ein Zigarrenanzünder. Darauf deutet die Öffnung an seinem Schwanzende. Doch wer würde sich trauen, unter diesem kritischen Blick daran etwas anzuzünden – war das etwa eine frühe, heimliche Nichtraucherkampagne?

Später spazierten wir durch den Park, unter dessen Bäumen schon Katharina die Große gewandelt sein mochte, die Namensgeberin des Schlosses, das ein Geschenk ihres Gatten war.

Flanierend erreichten wir einen Parkausgang, und fanden uns nach dem Überqueren der mehrspurigen Straße jenseits des „Russlka-Denkmals“ plötzlich am Strand wieder. Okay, ganz überraschend ist das nicht, wo Tallinn als Hansestadt logischerweise am Wasser liegt.

Praktischerweise gab es in der Nähe reichlich Bushaltestellen, von denen aus wir zurück in die Stadt fahren konnten. Das war wegen der fremden Sprache zwar etwas abentuerlich, doch da wir mehr oder weniger fußläufig zum Viru Keskus, dem großen Shopping- und Entertainment Center nahe der Altstadt wohnten, und wo dieses gleichzeitig ein Verkehrsknotenpunkt ist, war das einfacher als in manch deutscher Stadt.

Klassische Kunst in Form der Bronzestatue einer nackten Frau trifft auf moderene Kunst in Form ihres eigenen, pinkfarbenen Schattens, der die Statue mit großen Augen betrachtet - Sehen und Gesehenwerden am Viru Keskus, dem großen Einkaufszentrum Tallinns.
Kunst gibt’s hier auch beim Shopping Center …

Wobei selbst beim Kommerztempel schlechthin die Kunst nicht zu kurz kommt und die Klassik moderne Schatten wirft, während man an der Oper selbst auf dem Parkplatz mit Takt musikalisch denkt.

Zwei Hände, die jeweils einen Taktstock halten, bilden die Schranken des Parkplates der estnischen Oper in Tallinn.
… und in der Oper hat man selbst auf dem Parkplatz Ideen! 🙂
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