Den Dienstag hatten wir auserkoren, um in die Geschichte Tallinns, seiner Stadtmauer und deren Festungen einzutauchen und dabei hoffentlich unseren Wechsel von Stadtspaziergang und Museumsbesuch(en) auf dem Domberg und in der Altstadt mit den trockeneren und nasseren Phasen des Tages zu synchronisieren. Dass wir obendrein eine Reihe zauberhafter Wesen entdecken würden, war das Sahnehäubchen des Tages. Aber der Reihe nach.

Tatsächlich klarte das Wetter auf, als wir im Hotel aufbrachen, und als wir den Domberg, den Tompea erreichten, konnte man sogar blauen Himmel zwischen den Wolken erspähen. Der Harjumägi ist der Park beim Harju Tor, und das wiederum gehört zum Domberg.

Unser Ziel war jedoch nicht die Burg Tompea selbst, in der das estnische Parlament zuhause ist, weshalb man sie in der Sitzungsperiode nur eingeschränkt besichtigen kann, sondern der Kiek in de Koek genannte, mittelalterliche Wehrturm, der zugleich der Eingang zum Festungsmuseum ist.





Wobei die Annahme, das Festungsmuseum befände sich allein in diesem Wehrturm, ein Trugschluss ist, denn ebenfalls dazu gehören weitere Wehrtürme wie der Stable Tower (das ist der eckige Turm im letzten Bild) und der Maiden Tower und natürlich alle Wehrgänge dazwischen. Bei diesem Museumsbesuch geht es nicht nur quer durch die Zeit, beginnend im Mittelalter bis hin zur Einrichtung der ‚deutschen‘ Familie, die mit ihren beiden Töchtern Anfang des 20. Jahrhunderts im Maiden Tower lebten und edem Mobiliar eines Kaffeehauses aus den 1960ern, sondern vor allem immer wieder die Treppe hinauf und hinunter, etc.




Mehr noch: Nach all den wunderbaren Aus- und Überblicken über die Stadt –



ging es schließlich noch ganz hinunter in den Untergrund. Denn die alten Tunnel unter den Befestigungsanlagen wurden über die beiden Weltkriege und den kalten Krieg und darüber hinaus als Schutzräume und in den 1990ern von Obdachlosen als Rückzugsorte genutzt:



Mehrere Stunden verbrachten wir im Kiek in de Koek, sonnige wie verregnete, und sahen so viel mehr, als ich hier wiedergeben kann. Danach setzten wir unseren Spaziergang über den Domberg fort, wo offenbar nicht nur die Sitzungsperiode des Parlaments, sondern auch die Schule wieder begonnen hatte. Jedenfalls eilten hier viele Kinder in der Schuluniform der Domschule durch die Gassen.



Genauer: Sie liefen von der Schule in die Domkirche, wo sie in der Sakristei gruppenweise fotografiert wurden: eine Tradition zu Beginn des neuen Schuljahres womöglich?
Wir besuchten den Garten des Bischofs, spazierten an Botschaften und Konsulaten vorbei, tranken einen Kaffee in einem gemütlichen Café, kurz bevor eine Schülerreisegruppe hier einzufallen drohte – neben Reisegruppen aus Amerika, Asien und Deutschland scheint Tallinn ein beliebtes Ziel für Schulfahrten – und machten uns dann an den Rückweg in die Altstadt. Dieser führte uns zur Heimstatt der eingangs erwähnten, zauberhaften Wesen, dem Puppenmuseum:




Gezeigt werden hier nicht einfach nur die Puppen vergangener Produktionen gezeigt, man lernt zugleich eine Menge über die Geschichte des Puppentheaters in Tallinn wie in der Welt, kann sich den Bau von Puppen und die Entstehung von Masken anschauen, Workshops besuchen und sogar Kindergeburtstag feiern.




Fazit: Man mag nach Tallinn mit Vorstellungen von Mittelalter und der Hanse im Kopf reisen, aber zu entdecken gibt es hier so viel mehr. Man darf sich nur nicht vor Plattfüßen scheuen. Und sollte diesen zum Trotz dennoch lieber nicht in teuren Hotelrestaurants speisen, die zwar ein tolles Frühstück bieten, abends jedoch zu eingebildeten Möchtegern-Gourmettempeln mutieren, wenn man nicht nur rechtschaffen müde, sondern auch satt zu Bett gehen möchte. 😉