Was für ein Debüt, was für ein wunderbares Buch: Maggie Millners Couplets. A Love Story mag mit 97 Seiten (Farar, Straus and Giroux 2023) auf den ersten Blick als Leichtgewicht erscheinen, hat es aber in sich. Ein kurzer Roman über Liebespaare in Paarreimen, sprachlich genau und voller hintersinnigem Humor, in dem es vordergründig um eine Dichterin geht, die sich zum ersten Mal in eine Frau verliebt, und dafür ihren langjährigen Lebensgefährten verlässt, in dem noch so viel mehr gereimt wie ungereimt erzählt wird – über Liebe und Lieben, Begehren, Ängste, das Leben und wie wir uns und andere sehen und be-schreiben – ein Buch, das lange nachhallt.
I told my boyfriend immediately,
I’ve never been good at secrecy.It was the final straw before we parted.
She’ll make you suffer in the end, he said –not meanly, but as if reporting something true
Maggie Millner, „Couplets“, S. 23
about women in love and what they do.
So endet das alte Leben mit ihm und fängt die neue Liebesbeziehung mit ihr an. Dass es zu Anfang eine offene Beziehung ist, lässt die Ich-Erzählerin (das lyrische Ich) zwar heftig mit unausgesprochener Eifersucht und Selbstzweifeln ringen, bietet jedoch auch viel Raum für Beobachtungen aller Art. So schreibt sie etwa über eine Dreiecksbeziehung ihrer Liebhaberin mit verheirateten Schrifstellerpaar, dass dies zugleich eine Art Buchrecherche für die Beteiligten war und fügt diskret-indiskret hinzu:
(Each hoped her own, of course, would be
Millner, Couplets, S. 38
the better book, eventually)
Ertappt, mögen ehrlichere Autor:innen gleich welchen Beziehungsstatus denken, die wir alle gern die Welt als Rohstoff für die Kunst ansehen. Und umgekehrt Kunst & Literatur als Referenzrahmen nutzen, mit dessen Hilfe sich Sinn ins eigene Leben wie hoffentlich auch Schaffen lässt. Ähnlich ergeht es der Ich-Erzählerin wohl auch bei Millner. Gekonnt verwebt die Autorin Literatur, Kultur, das intellektuelle Leben in New York, die Entdeckung von Queerness und Kink in Versform wie in Prosapassagen (letztere in der zweiten Person erzählt, weil die Erzählerin sich selbst immer wieder fremd fühlt und/oder sich wie von außen beobachtet) mit präzise gewählten Worten zu einer ganz eigenen Welt. Doch dahinter schlägt das Herz der Ich-Erzählerin oftmals heftiger, ist sie häufig unsicherer, als sie zugeben will – etwa, wenn sie erst unausgesprochen mit Eifersucht und Verlassensängsten hadert, weil eine offene Beziehung nicht das ist, was sie sich wünscht, nur um später, wenn sich die Liebhaberin endlich allein auf sie einlässt, plötzlich in dieser Zweierbeziehung neue Unsicherheiten zu entdecken.
Als sie etwa gemeinsam zu den Eltern der Ich-Erzählerin reisen, um dort Weihnachten zu verbringen, heißt es:
… There’d be my little house and yard
whose ragged border was the stream. It would be hardI knew, to square the transformations of that year
with the place where I’d grown up, which appearsalways consolingly the same. The temperatures
were higher, and local polling places tenserthan in my childhood – but the oaks and lilacs and vervain
were still themselves, and so the starkest changewould be in me, and whom I had brought home.
Couplets, S. 89f
Es liegt nicht an ihrer Familie, auch nicht an ihrer Geliebten, es scheint nichts, was sie benennen kann, und doch ist die Diskrepanz da, die irgendwann zum Riss werden wird, sodass die Lovestory schließlich enden muss. Wehmut tropft durch die Ritzen, so fühlt es sich für mich an, aber das ist womöglich nur meine Lesart, meinem eigenen Gefühl geschuldet.
Dennoch ist es am Ende ein glückliches Ende. Welches verrate ich nicht. So viel Spoiler muss sein. Dabei … es ist nicht oder nicht hauptsächlich die Love Story, die den Reiz des Ganzen macht. Die Sprache und der versiert verdichtete Umgang, den Millner damit pflegt sowie die Beobachtungsgabe sind’s, die mich vor allem fesselten.
Bleibt die Frage, wo findet das Buch seinen Platz in meinen Regalen: bei der Lyrik oder bei der Prosa, muss ich gar alles umsortieren – oder kommt es zurück auf den Lesestapel, denn dieses Buch kann man sicher unzählige Male lesen und immer wieder etwas Neues entdecken. In diesem Sinne, entschuldigt mich bitte, ich habe zu lesen! 😉