Nature Writing – ein Genre mit langen, verschlungenen Wurzeln, die in Deutschland Dank der Nazis in den 1930er gekappt wurden (Stichwort „Blut und Boden“), sodass es hierzulande erst seit ein paar Jahren verstärkt wiederentdeckt wird. Meist geht es darum, die eigene Naturerfahrung in Worte zu fassen; Amerikaner suchen dafür traditionell eher nach ‚unberührter‘ Natur, Briten widmen sich der vom Menschen mal ge-, mal verunstalteten Natur und im deutschsprachigen Raum könnte man die gefühlsbetonten Naturbetrachtungen der Romantik oder auch Esther Kinskys „Geländeromane“ anführen. Doch wenn ich mit Kinder und Jugendlichen zum Natur Writing rausgehe, wird die Sache sowohl handfester als auch weiter:
Wenn wir schreiben lernen, tun wir das meist in Innenräumen. Nichts gegen Häuser, auch nichts gegen Klassenzimmer, doch dort ist die Bandbreite von Sinneserfahrungen und Beobachtungen von Unvorhergesehenem sehr begrenzt. Draußen ist dagegen so ziemlich alles möglich – wir sind umgeben von Leben, von Pflanzen und Tieren und anderen Menschen, alles ist ständig in Bewegung, verändert sich, überall gibt es etwas zu entdecken und das Wetter sorgt zu alledem für eine sich stetig wandelnde Szenerie.
Ich kann Insekten beobachten, kann Wolken zuschauen und mir ausmalen, wie die Welt wohl aus ihrer Sicht aussieht oder mich von Blütenduft und Vogelgesang an meine letzten Sommerferien erinnern lassen, und schon habe ich einen möglichen Anfang für eine Geschichte oder die Inspiration für den nächsten Satz. Dabei kommt es für mich nicht darauf, ob wir unsere konkreten, realen Naturerfahrung beschreiben oder diese schlicht als Anregung nehmen, uns einen Science Fiction oder eine Abenteuergeschichte auszudenken oder einen Comic aus Sicht einer Maus zu zeichnen. Hauptsache, wir kommen in die Gänge und ins Kreativsein, entdecken für uns schreibend, erzählend, erfindend die Welt um uns und all die möglichen Welten in uns.
Dabei draußen in der Natur statt in irgendeinem Zimmer zu sein, hilft, denn hier fällt es den meisten von uns leichter, ganz bei sich im Hier und Jetzt zu sein. Zugleich findet man z.B. im Park unendliche viele Anregungen und Materialien wie auch den nötigen Freiraum zum Kreativsein. So kann ich draußen in der Natur gleichzeitig Erfahrungen machen, Eindrücke sammeln und darüber schreiben. Und wenn es um einen Kurs in einer Gruppe geht, noch dazu Spaß haben und mich mit anderen austauschen.
Das Miteinander ist für mich als Autorenpatin und Dozentin stets ein eigenes Abenteuer. Ich liebe es, andere Menschen darin zu begleiten, die Geschichten zu erzählen, die in ihnen schlummern und sie mit all meiner Erfahrung in ihrer Kreativität zu unterstützen. Dabei zu sein, wenn all die Ideen, die Welten, Figuren und Geschichten das Licht der Welt erblicken, ist für mich jedes Mal ein kleines Wunder und ein großes Geschenk. Wenn das auch noch an einem so schönen Ort wie der Gruga geschieht, ist es, als käme alles zusammen: die Natur da draußen, unsere natürliche Umwelt, deren Teil wir sind, und unser Innerstes. Was kann es Schöneres geben?
Also auf, hinaus, Erfahrungen machen, sich anregen lassen und dann schreiben, malen, filmen, dichten, rappen, es auf jeden Fall kreativ rauslassen!
P.S.: Und wer jetzt Lust bekommen hat, vom 30. Juli bis zum 1. August 2024 beim Nature Writing 3 dabei zu sein, findet hier weitere Infos zum Kurs oder kann sich direkt beim Kinderliteraturverein telefonisch unter 0201-79984506 oder per E-Mail info@kinderliteratur-verein.de anmelden.