Erinnerungsschnipsel III: The Tenancy

Wer noch recht jung ist, mag glauben, die Probleme mit den hohen Mieten, die das Leben in den Innenstädten vielerorts für viele unbezahlbar machen, sei ein neues. Wer alt genug ist, sich an die 70er und 80er samt Hausbesetzern zu erinnern, weiß, dem ist so nicht. Das Phänomen geldgieriger Vermieter samt allerlei subtilen und weniger subtilen Methoden, lästige Mieter loszuwerden, zeigt Eva Figes in ihrem 1993 erschienen Roman „The Tenancy“, der auf verschiedene Weise das Existenzielle des Themas verdeutlicht.

Lesenswert nicht nur für MieterInnen, auch, wenn das Ende für mich vorhersehbar war: The Tenancy von Eva Figes

Ein einst herrschaftliches Haus, zwischenzeitlich in diverse Apartments aufgeteilt, kommt in die Jahre und dabei herunter. Dennoch ist es der Lebens-Raum seiner Bewohner, die sich in ihm eingerichtet haben und denen es Halt bietet, gerade auch in schwierigen Zeiten. Aber irgendwann ist der Verfall nicht mehr zu übersehen, weder im Haus noch in der Straße: Wasser tropft durch Decken, kommt aber wochenlang nicht mehr aus den Wasserhähnen, Fenster gehen zu Bruch und die Handwerker richten lediglich Baustellen ein, machen jedoch nichts besser. Und dann zieht auch noch dieser Kerl mit dem riesigen Hund in die leerstehende Wohnung …

Ein bisschen Kafka im London der 1990er, so lässt es Edith scheinen, die Mieterin, von der wir Leser am meisten erfahren, Eine ältere Dame, die selbst eigene Probleme genug hat, und nun die Sicherheit in den eigenen vier Wänden mehr und mehr verliert. Wochenlang versucht sie, Probleme erst zu ignorieren, dann schönzureden, irgendwie damit umzugehen, das schon – aber effektiv ist nichts davon. Alle Anstrengungen, ob nur geistig (sie denkt z.B. ein gefühlte Ewigkeit über einen Brief an den Vermieter nach) oder reael (wenn sie etwa versucht, sich um ihre  unerklärlich ekrankte Nachbarin Brenda zu kümmern), verlaufen im Sande. Was im ganzen Haus kaum anders ist – als ob der zunehmende Verfall, die raumgreifende Unsicherheit alles und alle lähmt -, auf die Idee, umzuziehen, kommt nur eine einzige Nachbarin gegen Ende.

Die bedrückende, absurd-existenzialistische Atmosphäre – die Mieter warten so ergeben und vergebens auf Rettung, wie Estragon und Wladimir auf Godot – scheint mir zugleich Stärke und Schwäche des Romans. Stark ist sie, weil sie erst ganz allmählich, dann beinahe unausweichlich auf den Leser übergreift. Im Absurden steckt eine verrückte Hoffnung, nämlich dass die Dinge vielleicht doch ganz anders sind, als man denkt, dass sich mehr dahinter verbirgt als ein Miethai mit unmoralischen Methoden und kriminellen Helfern, dem eine ineffiziente Stadtverwaltung und zögerliche Mieter nichts entgegenzusetzen haben. Doch diese Hoffnung wird enttäuscht durch das schwache, weil vorhersehbare Ende.

Nun ja, auch großartige Schrifstellerinnen wie Eva Figes können nicht nur großartige Bücher schreiben …

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