Vom Wesen der Farce

Vermutlich hatte gestern so manch einer Seitenstechen vom Lachen, jedenfalls hatte das Publikum in der Premiere von Michael Cooneys „Cash – und ewig rauschen die Gelder“ unüberhörbar Spaß. Bis auf die drei oder vier, die zwischendrin den Saal verließen, weil die teils recht dick aufgetragene Farce wohl nicht ihren Humor traf. Doch das hätte sich leicht beheben lassen können, hätten sie vorab einen Blick ins Programmheft getan und Cooneys Gedanken zum Thema Farce gelesen. Doch der Reihe nach – so erlebte ich gestern die Inszenierung von Tobias Materna:

Eigentlich dreht sich alles nur um eine Unterschrift, die Außenprüfer Jenkins (Thomas Büchel, links) von Eric Swan (Stefan Diekmann) braucht. Dummerweise hat der sich gerade als sein erfundener Untermieter ausgegeben … (Foto: Martin Kaufhold)

Die Farce sei dem Wesen nach mit der Tragödie verwandt, schreibt Cooney, ein Individuum ringt verstrickt gegen schier unüberwindbare Mächte und scheitert – entweder komisch oder eben tragisch. Was aber, so der Autor weiter, sich nicht in den Dialogen selbst bemerkbar machen darf und schon gar nicht im Spiel der Darsteller. Dem Schauspieler muss es also tragisch ernst sein in dem, was er da spielt, allerdings spielt er sehr viel schneller, actionreicher und das mit den anderen auf der Bühne zusammen, als das in einer Tragödie der Fall wäre.

Aha, dachte ich, als ich das las, während ich im Publikum saß, und es erschien mir einleuchtend. Dann ging es auch schon los mit der wilden Geschichte rund um Eric Swan (wandelbar bis irrlichternd: Stefan Diekmann), der lauter Untermieter erfunden hat, für die er reichlich Sozialleistungen kassiert – und all das nur, um seiner Frau (hysterisch: Janina Sachau) nicht sagen zu müssen, dass er seinen Job verloren hat. Als Swan dann versucht, eine dieser Gestalten – ungünstigerweise die mit dem Namen seines einzigen echten Untermieters Norman Bassett (großartig: Stefan Migge) – loszuwerden, indem er dessen Tod den Ämtern meldet, gerät das Ganze zu einem gewaltigen Chaos aus Verwechslungen und Missverständnissen.

Insofern: das Setting passt schon mal definitiv zu dem, was sein Autor über das Wesen der Farce sagte (gut, sonst wäre es nicht nur gewagt gewesen, diesen Text ins Programmheft zu nehmen, sondern ziemlich dämlich von Cooney, ihn so zu schreiben … ;-)). Und das zehnköpfige Ensemble agiert hervorragend zusammen, ob mit teils akrobatischen Slapstickeinlagen (zum Überschlagen schön: Henriette Hölzel als Brenda), türenschlagenden Auf- und Abgängen (die ganze Bühne ist ein Haus, und das hat bei Till Kuhnert sogar ein Dach obendrauf) oder einfach nur bei den schnellen Dialogen. Das ist sehr gelungen, denn, wie eine Zuschauerin beim Rausgehen am Ende so treffend bemerkte, oft läuft gerade das Zusammenspiel erst nach einer Reihe von Vorstellungen so richtig rund und nicht schon in der Premiere.

Dass nicht alles meinen Humor traf, ist eine andere Sache – mir war an dieser Farce so manches zu groß, zu dick, zu laut, sozusagen. Dennoch musste ich immer wieder lachen, teils sogar regelrecht gegen meinen Willen – und sowohl in diesen Momenten als auch in denen, wo mir nicht mal zum Grinsen war, wurde die Sache durch den Text aus dem Programmheft besonders spannend: Dank ihm achtete ich nämlich darauf, wann mich wer wie zum Lachen brachte.

Stefan Diekmann, der als Vermieter und Sozialbetrüber Eric Swan die größte Rolle zu Schultern hat, gelang das oft. Jedenfalls solange er den als verzweifelt Verstrickten spielte und nicht der Versuchung erlag, um des Gags willen einen draufzusetzen. Stefan Migge als Untermieter von der traurigen Gestalt und Swans unwilliger Helfer blieb durchweg ernst und so fast unausweichlich zwerchfellreizend. Ähnlich konsequent in der Ernsthaftigkeit ihrer jeweiligen Rollen blieben Ines Krug als drachenartige Behördenchefin Mrs. Cowper, der geschäftstüchtige Onkel George (Sven Seeburg), Silvia Weiskopf als unbedingt mitfühlenwollende „Trauerbegleiterin vom Sozialamt“ Sally Chessington, Henriette Hölzel als Brenda, die naive Verlobte Normans und geradezu naturgemäß Philipp Noack als pietätvoller, gemessener Bestatter Mr. Forbright. Thomas Büchel als Außenprüfer Mr. Jenkins neigte zu oft in Richtung Klamauk und Janina Sachau als Mrs. Swan war für mich einfach nur überzeichnet und hysterisch, da kam gar nichts bei mir an. Schade, dass Jan Pröhl als Eheberater Dr. Chapman meist hinter ihr herstolpern musste, und so wenig Raum hatte, eigene Wirkung zu entfalten. Über ihn hätte gewiss selbst ich sonst noch viel mehr lachen können.

Aber gelacht habe ich an diesem Abend, und mich gut unterhalten, und das, wie gesagt, selbst da, wo das Gezeigte zwischendrin gar nich meinem Humor nahekam. Deshalb: wenn wilde, laute Farcen mit Schenkelklopfhumorpotenzial Ihr Ding sind – unbedingt reingehen. Und alle anderen lesen einfach wie ich vorher das Programmheft, dann passt das schon. 😉

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