Marion Poschmann: Die Sonnenposition

Voluminös, barock, verspielt, sprachlich durchaus so kunst- wie anspruchsvoll, so kommt Marion Poschmanns Roman „Die Sonnenposition“ daher.

Was an sich ja scbon mal nicht schlecht ist, vor allem, wenn man Alliteration und rhythmisiernde Wiederholungen mag:

Wir stiegen an der Tankstelle aus, und es schien, als prallte der Wald auf uns, sein schwerer Geruch, nasses Nadelholz, sein Wogen, Wiegen,Wallen. (Marion Poschmann, „Die Sonnenpostion“, S. 84)

So klingt eine der vielen beschreibenden Passagen, wenn der pummelige Psychiater Altfried in seiner Freizeit auf Erlkönigjagd geht, in diesem Fall zusammen mit seinem nicht minder exzentrischen Altersgenossen Odilo:

Sternenhimmel, Sterntaler; Schneeregen ersetzte die Sterne, ein bewegliches, herabstürzendes Firmament. Er hatte seine Brille abgenommen und rieb sie sinnlos trocken, in die Wasserflocken starrend, ohne etwas zu sehen, ohne etwas sehen zu wollen, in ein Grübeln, eine geheimnisvolle Gedankenabfolge versunken, die mich ausschloß,, ähnlich wie die Landschaft ihn ausschloß, ihn an den Rand drängte und dann wieder ansog, als gäbe es ein unbekanntes Zentrum, in das sich einzudringen lohnte. (Poschmann, S. 84f)

Besonders ist die Sprache, bilderreich sowieso, aber eben auch barock-überbordend, wie ich finde. Denn die dreifachen Wiederholungen und Allitertionen sind ein Grundprinzip, das sich auf Dauer genauso abnutzt wie die Verwendung eher seltener Ausdrücke – z.B. hat Ich-Erzähler Altfrid die Neigung, seine Umgebung nicht einfach zu sehen und zu hören oder wahrzunehmen, nein, er wird ihrer gewahr. Beim ersten Mal merke ich lesend auf, beim zweiten und dritten Mal denke ich, „typisch Altfrid, umstandskrämischer Psychoheini“, aber ab dem sechsten, siebten, achten Mal wirkt es nur noch prätentiös. Und es hemmt den Fluss der Erzählung, wie eben die Wiederholung von Satzelementen und die Häufungen von Alliterationen.

Überhaupt, die Erzählung: einerseits ist sie subtil und verschlungen, mäandert zwischen verschiedenen Zeitebenen wie ein Fluss mit zig Nebenarmen, bis das Ganze dann doch in so etwas wie einem Ende mündet. Dann weiß man, was hinter Odilos tödlichem Unfall steckt und ahnt, Altfrid wird seiner Psychoklinik im verfallenden Schloss im Osten Deutschlands wohl nicht mehr entkommen. Andererseits ist genau dieses Ende und das, was sich an Plot zwischen all den ausufernden Wahrnehmungen, Erinnerungen und Grübeleien Altfrids, im Vergleich zum Umfang des Buches und dem Aufwand doch ein wenig dünn.

Und ich bleibe unentschieden zurück. Sprachlich ist vieles bewundernswert an Poschmanns Buch. Erzählerisch ist es für mich jedoch verwässert – erst recht, wenn man ich es mit dem hochkonzentrierten „Die Kieferninseln“ vergleiche. Ob es am Ich-Erzähler liegt (der zudem über weite Strecken in der dritten Person in Anlehnung an seine Schwester Mila und auch an Odilo erzählt, genauso detailreich, ausufernd, wie alles andere, obwohl er nichts davon wissen kann)? Oder doch daran, dass Barock einfach nicht mein Ding ist? Ich weiß es nicht. Aber ich denke, es wird nicht das letzte Werk Poschmanns gewesen sein, das ich lese, ob Lyrik, Prosa oder was auch immer …

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