Das erste Buch, in dem DI Vera Stanhope auftritt, und mein dritter Kriminalroman aus der Feder von Ann Cleeves, der mich diesmal in die North Pennines entführte. Und wie sehr nahm mich The Crow Trap, das ich bereits vor rund zwei Wochen las und dessen Verfilmung ich schon vor einer ganzen Weile sah, gefangen?
Im Prinzip ging’s mir mit diesem Roman genau wie mit den Shetland-Krimis: Landschaft und Atmosphäre sind großartig, die Personen haben nicht nur die nötigen menschlichen Ecken, Kanten und Geheimnisse, sie sind obendrein sehr gut gezeichnet. Man verbringt gerne Zeit mit ihnen in ihrer Welt – erst recht, weil Ann Cleeves eine clevere Wahl für die Erzählperspektive trifft. Im ersten Teil kommen nacheinander drei Figuren als personale Erzählerinnen zum Einsatz: Rachael, Anne und Grace, die in der entlegenen Landschaft die Umwelt untersuchen, um so bei der Entscheidung zu helfen, ob hier Bodenschätze kommerziell abgebaut werden dürfen. Das Spannende daran ist, dass sich diese drei Erzählungen jeweils teils überschneiden, was zu aparten Diskrepanzen in der Wahrnehmung und Schilderung von Ereignissen und den jeweils anderen führt. Im zweiten Teil kommt schließlich DI Vera Stanhope dazu, um den Mord an einer der drei anderen aufzuklären.
Für mich ist das gegenseitige Sehen der Figuren neben den subjektiven Weltsichten das, was den Reiz des Buches ausmacht. Gewiss, der Plot ist durchdacht, und es gelingt Cleeves hier besser, glaubwürdiger als in den ersten beiden Shetland-Krimis, die Hinweise auf den Täter und dessen Entlarvung in der Waage zu halten. Dennoch bleibt diese Figur am Ende recht blass, und dieser Strang hauptsächlich der Konvention geschuldet, dass es eben einem Krimi auch einen Täter geben muss.
Um also die Frage zu beantworten, wie sehr mich das Buch gefangen nahm: die Perspektivenstruktur, die Figuren und die erzählte Welt waren eine ganz wunderbare Leserfalle. Dass die Auflösung des Krimiplots dagegen eher mäßig ausfällt, ist halb so wild. Ich bin jetzt gespannt, wie viele weitere Bücher ich von dieser Autorin noch mit so viel Genuss lesen werde — und ob sie nicht eines Tages auch etwas schreiben wird, was den Vorwand des Verbrechens und seiner Aufklärung rein gar nicht mehr bedarf.