Gut, viel Platz zum Tanzen hätte es gestern Abend in der Buchhandlung Proust nicht gegeben. Tatsächlich war gerade so viel Platz, dass alle Anwesenden sitzend dem lauschen konnten, was Heinz Feldmann über seine Arbeit an der Übersetzung von Anthony Powells 12bändiger Romanreihe „Ein Tanz zur Musik der Zeit“ zu sagen und Schauspieler Gregor Henze daraus vorzulesen hatte. Offenbar interessierte das bei Weitem nicht nur Übersetzerinnen und Schriftstellerinnen wie meine Freundin Gesine und mich. 🙂
Während die 12 Romane über die britische Upperclass zwischen 1921 und 1970 in England allseits bekannt sind, blieb der erste Versuch einer Übersetzung in den 1980ern mangels Werbung seitens des damaligen Verlages, wie Heinz Feldmann ausführte, nach drei Bänden stecken. Jetzt hat sich der Elfenbeinverlag zusammen mit dem Übersetzer der Sache angenommen und die ersten sieben Bände mit beachtlichem Erfolg in den Feuilletons und wohl auch an den Buchladenkassen herausgebracht. Bis 2018 will man bis zum letzten Band vordringen, so dass den geneigten Lesern der feine Stoff nicht so bald ausgehen dürfte.
Ich gebe zu, ich kannte bisher von Anthony Powell kaum mehr als den Namen und war bislang auch noch nie in einer Lesung mit einem Übersetzer bzw. bei einem Werkstattgespräch mit einem Übersetzer plus Lesung. Ich hatte also recht wenig Vorstellung von dem, was da auf mich zukommen mochte, war aber sehr gespannt, da ich zwar einerseits auch als Übersetzerin arbeite, dies jedoch andererseits als ‚zweisprachige Schriftstellerin & Journalistin‘ betreibe, also zwar Anglistik und Germanistik studiert habe, aber eben keine sytematische Ausbildung in Sachen Übersetzungswissenschaften habe.
Dass sich es gleich eine ganze Schule gibt, nach der sich offenbar selbst literarische Übersetzungen rein am Leser orientieren, also dem möglichst glatten Transportieren der Inhalte von einer Sprache in die andere unterordnen sollen, hat mich entsprechend überrascht (to say the least). Immerhin erzählen belletristische (fiktionale) Werke per definitionem Geschichten, die es überhaupt nur gibt, weil sie erzählt werden – und ihre konkrete Gestalt, also die Art des Erzählens, wie die Sprache dabei verwendet wird, ist doch essentieller Bestandteil dessen. Ergo gehört es doch logischerweise beim Übersetzen dazu, dass man Eigenheiten der Sprache des Originals unbedingt berücksichtigt, sich in Stil, Tonfall, Sprachebenen, etc. diesem soweit als möglich anzunähern versucht. Zu meiner großen Erleichterung berichtete Feldmann von ein entsprechenden Schule oder Richtung in der Übersetzung, zu deren Anhängern u.a. Walter Benjamin gehört (es ist doch immer wieder schön, sich unversehens in bester Gesellschaft wiederzufinden, dachte ich da :-)).
Bei Anthony Powell scheint sich in dem Kontext eine Besonderheit daraus zu ergeben, dass seine Romane „wie Gespräche über den Tisch“ erzählt sind: voller Verschleifungen, wie sie eben beim Sprechen auftreten, auch offenbar mit logischen Fehlern, wie sie mündlichem Geschichtenspinnen eigen sind, etc. Und sehr sehr gewunden, sehr mäandernd, wortreich, weitschweifig, sich gelegentlich im Ungefähren weit jenseits des eigentlichen roten Faden verlierend.
Das zeigten die beiden längeren Passagen, die Gregor Henze nuancenreich und im besten Sinne lebendig aus Band III und Band IV vorlas, aufs Schönste (so schön, dass ich mir glatt eine zweisprachige Ausgabe wünschen würde, wenn der Tag kommt, da ich meinen Stapel ungelesener Bücher gleich um diese zwölf erweitern werde …). Das zeigte aber auch das Sprechen von Heinz Feldmann, ob es nun um seine Begegnungen mit Anthony Powell, Übersetzungsprobleme oder die Frage, warum er nun diese Passagen zum Vorlesen ausgewählt hatte: ausholend, abschweifend, anekdotisch, das Thema umkreisend, gelegentlich wenigstens scheinbar aus den Augen verlierend, um dann jedoch zum glücklichen Ende doch noch am vermutlich von Anfang an angepeilten Punkt herauszukommen.
Falls das jetzt abschreckend klingt, weit gefehlt, es war interessant zu hören, auch wenn ich mich ein, zwei Mal im Gehörten vorübergehend verlor, und es hat mir eine Menge Stoff zum Nachdenken mitgegeben übers Übersetzen. Und lässt mich fragen, ob man als Übersetzer nicht sehr drauf achten sollte, wen man wie übersetzt, erst recht, wenn man selbst auch noch Autorin ist und den eigenen Stil, die eigene Sprache zwar jederzeit verbessern, doch nicht verwässern möchte!
Ergo: es war ein schöner Abend, auch, wenn wir alle „nur“ bildlich und in Gedanken getanzt haben 🙂