Dass sich Extreme – auch und ganz besonders extreme Gegensätze – letztendlich berühren, ist schon fast ein Gemeinplatz. Darauf politisches Theater der intelligenten und grotesken Sorte aufzubauen, bei dem Phrasendreschereien à la Pegida auf selbige islamistischer Hassprediger trifft, braucht Mut und Geschick. Regisseur Hermann Schmidt-Rahmer gelang dieses Kunststück mit der Essener Premiere von Mark Ravenhills Wir sind die Guten. Erschöpft von der hysterischen Komik, die in der eigenen wie der fremden Paranoia stecken kann: Daniel Christensen (Foto: Martin Kaufhold)
Für mich waren daran gleich mehrere Dinge ausgesprochen erstaunlich. Ich bin alles andere als ein Fan vom heutigen Dauereinsatz von Videos im Theater – aber hier passt das perfekt. Das scheint bereits notwendig, weil sonst außer dem (Spiel)Häuschen nichts mehr auf der Bühne (Adrian Ganea) wäre außer Leere. Es ist aber notwendig, weil nur so die atemberaubende Brüche zwischen Realität und Fiktion sichtbar gemacht werden können. Was im Spiel der Darsteller auf der Bühne in einem Moment heftigste, verzerrte Karrikatur erscheint, erweist sich in der nächsten Sekunde als reines Zitat — meist jedoch der jeweiligen Gegenseite.
. No Burka mit Burka: Stephanie Schönfeld und Silvia Weiskopf in Blau auf Greenscreenteppich… (Foto: Martin Kaufhold)
Außerdem braucht es die Perspektivwechsel, die Ausblicke ins Foyer, auf die Straße, und die Momente, in denen die Schauspieler aus der Obermaschinerie gefilmt plötzlich winzig werden, verloren trotz oder gerade wegen ihrer so großen, ja übergroßen Gefühle. Sonst bliebe man stecken in den überschäumenden Emotionen, den Phrasen und Gemeinplätzen (an deren zugespitzter Form Elfriede Jelinek vermutlich ihre Freude hätte) und die Karrikaturen verpufften im Unmittelbaren.
Denn das Erstaunliche an dem Stück ist – es ist so böse, so verzweifelt, so wütend, so hilflos, ganz so, wie man sich als denkender Mensch angesichts Hasspredigern jedweder Richtung, seien es Islamisten oder Pegida-Anhänger (oder manchmal auch nur Koffeinintolerante …) fühlt, und doch ist das Lachen, das es unweigerlich erzeugt, befreiend. Es gibt keine Lösungen, erst recht keine einfachen, scheint die Inszenierung zu sagen, aber das ist weder ein Grund, in Aktionismus zu verfallen noch zu verzweifeln. Erstmal hinsehen, lachen und dann vielleicht in Ruhe nachdenken, statt sich von Paranoia oder Hysterie jagen zu lassen …
Ich würde jedenfalls gerne noch ein zweites Mal hingehen und mir diese Version von Wir sind die Guten ansehen. Sollten Sie vielleicht auch tun. Allein um den No-Burka-Song zu hören und die Frau in der schwarz-rot-goldenen Burka zu sehen. 😉