Während ich noch ein wenig Zeit verstreichen lasse, damit sich die vielfältigen Eindrücke des heutigen Workshop-Tages in Koblenz setzen, möchte ich noch kurz meine Gedanken zu meiner Reiselektüre loswerden. Alfred Döblins Die Ermordung einer Butterblume und andere Erzählung wiederzulesen war beileibe nicht mit dem Vergüngen der Wiederbegegnung mit Sakis kleinen Meisterwerken zu vergleichen. Die titelgebende Erzählung liest sich im Kontrast zwischen der Zeichung der Hauptfigur, des dicken Kaufmanns in all seiner wohlanständigen Spießigkeit und der Absurdität der Handlung, eben der Ermordung der Butterblume, die sich für ihn zum allesbeherrschenden Wahn entwickelt, noch recht spannend. Eine ungewöhnliche Geschichte, die mich darüber nachdenken ließ, dass ich zwar expressionistische Malerei und Dichtung kenne, mich auch durchaus schon expressionistischem Film befasst habe, aber in der Prosa diese Stilrichtung bislang nicht bewusst wahrgenommen hatte. Ist es das, was Döblin schreibt – expressionistische Prosa?
Ich weiß nicht genau, was seine seltsamen Geschichten mir zu sagen versuchen. All die in ihren Rollen und Konventionen gefangenen Figuren einerseits, denen andererseits abgründige, absurde, aber allemal durch nichts Nachvollziehbares motivierte Dinge zustoßen. Lauter Erzählungen der deutsch-dunkel-romantischen Art, mystisch angehaucht zum Teil, zum Teil auch noch dem Novellenhaften im Sinne Kleists verhaftet, ohne jedoch dessen Klarsicht zu zeigen.
Sie sind weder spannend im konventionellen Sinn – das würde ja bedingen, dass die Geschichte erzählt, was die Figuren umtreibt, worauf sie hinarbeiten, was mir dann einen Anker, einen Anhaltspunkt zum mitfiebern gibt – noch elegant, witzig, voller Esprit wie die Erzälungen Sakis.
Ist das das „deutsche Gemüt“? Diese Schwermut, die alles, sich selbst eingeschlossen, viel zu schwer und zu ernst nimmt? Oder ist das ein besonderer Zeitgeist – aber eben auch eine Stilrichtung, die mir in der Art so gar nicht liegt?
Ich gebe zu, ich habe mich durchgequält durch die meisten der Geschichten. Was ich nicht getan hätte, hätten meine Züge gestern nicht derart Verspätung gehabt. So erinnerte ich mich endlich an die Empfindung, die Berlin Alexanderplatz zu lesen bei mir vor langer Zeit auslöste: Beklemmung und das dumpfe, nagende Gefühl, entweder das Gelesene rein gar nicht zu verstehen oder doch zumindest zu ungebildet, unverständig zu sein, um es wenigstens als Kunst zu genießen. Und ich muss zugeben, selbst heute weiß ich es noch nicht. Wirklich teilen kann ich die Begeisterung über Döblins angebliche Meisterschaft in Sachen Prosa jedenfalls nach wie vor nicht.