Als ich im Frühjahr beschloss, ich müsse dringend mal wieder was von Siri Hustvedt lesen, fand ich es jedoch erstmal sehr schwer, mich für eines ihrer Werke zu entscheiden. Bis ich auf den Titel The Sorrows of an American stieß: Was könnte angesichts des aktuellen Präsidenten passender sein? Natürlich ist Hustvedts 2008 erschienenes Buch keine Trump-Prophezeiung. Dann hätte ich es auch nicht mit so viel Genuss gelesen …
Sieben Jahre nach 9/11, zwei, drei Generationen, nachdem die Vorfahren des Ich-Erzählers, eines Psychiaters/Psychotherapeuten aus Norwegen in die USA eingewandert sind, und recht kurz nach dem Tod und der Beerdigung seines Vaters – das ist der Hintergrund, vor dem sich die komplexe und zugleich diffizile Geschichte entfaltet. Mit viel Raum für philosophische Betrachtungen und psychologische Ansätze, und für höchst differenzierte Beobachtungen einer vielfältigen Gesellschaft. Dabei geht es auch immer wieder um Fragen des Zusammenhalts – der Gesellschaft, der verschiedenen Gruppen in ihr, in Familien -, um Loyalität und Ehrlichkeit nicht zuletzt mit sich selbst. Schier unglaublich, wie viele Leben und Personen Hustvedt auf gerade mal 300 Seiten so plastisch zeichnen kann, dass ich das Gefühl habe, ich würde sie schon ewig kennen, als wären sie schon seit Jahren meine Bekannten, Nachbarn, ja Freunde.
Hier stimmt der Klappentext mit seinem Lob zu 100% – Siri Hustvedts Buch ist schwer aus der Hand zu legen, wenn man einmal angefangen hat, und wenn man fertig ist, würde man es am liebsten gleich erneut zu lesen beginnen.
Was nicht geht, denn neben der ZEIT, die mich jede Woche mit Ideen, Gedanken und Einsichten bereichert, aber mir auch ganz schön viel LeseZEIT klaut, warten da ja noch Pflichlektüren für die Uni und ein neuer Band mit Munro-Stories und und und … aber es ist doch schön zu wissen, eines Tages werde ich mich wieder dem Kummer eines Amerikaners widmen und es wird mich erneut zu einer glücklichen Leserin machen 🙂