Es geht um eine gewaltig dicke Frau, die immer dünner wird, bis sie schließlich verschwindet und ihren Mann, der immer dicker wird, während er auf ihre Rückkehr wartet. Es mutet dabei auch wie ein Krimi an, denn die Frau, nun rank, schlank und schön, begeht (vermeintlich?) Selbstmord mit einer Erdnuss – zumindest erliegt die Allergikerin in einer Version der Geschichte einem entspechenden, anaphylaktischen Schock. Daneben geht es um Variationen der Wahrheit im authentischen Fall Sam Sheppards, der die Basis der „Auf der Flucht„-Thriller à la Dr. Kimble bildet. Die Rede ist von Adam Ross‚ schwergewichtigen Debütroman Mr Peanut.
Je nach Lesart ergeben sich mindestens drei Erzählstränge und darin wiederum verschiedene Zeitebenen, das ganze verwoben zu einem Bild ‚der dunklen Seite der Ehe‘, wie es im Klappentext der deutschsprachigen Ausgabe heißt. Aber, geht es wirklich darum auszuloten, welche Abgründe sich in den Beziehungen Erwachsener auftun? Beziehungsweise: gehört es nicht zu allen nahen bis elementaren Beziehungen, dass auch, nun, sagen wir: unerwünschte Gefühle auftreten?
Kinder stellen sich in gewissen Alters- und Entwicklungsstufen wiederholt entweder den Tod der Eltern oder den eigenen vor – als Wunsch- oder Angstidee getarntes Ausloten von Grenzen und zugleich so etwas wie die Illustration von Ablösungsprozessen. Und ich sage nicht umsonst, dass das Leben immer wieder nur dadurch erträglich bis lebbar wird, weil nicht nur klar ist, es ist endlich, sondern ich darüber hinaus ja die Möglichkeit hätte, es selbst zu beenden.
Was wir denken und fühlen, ist nur zu sehr geringem Teil im unmittelbaren Sinne handlungsvorbereitend. Manchmal scheinen unsere Gedanken und Gefühle geradezu ein Eigenleben zu haben und allem zu gehorchen, bloß weder unserem Willen noch unseren Moralvorstellungen.
Wenn man sich auf die Logik solcher Gedankengefühle, solcher Triebbilder, Sehnsuchtvorstellung und Angstideen einlässt, dann kann ein Buch wie Mr. Peanut eine spannende Reise ins Innere sein. Und zwar ins Innere verschiedener Figuren, die zugleich nicht vollkommen voneinander getrennt sind, sonder vielmehr Variationen voneinander zu sein scheinen – wie sonst könnte es sein, dass alle drei Ehefrauen fünf Monate im Bett verbringen, was bei der einen unerklärlicher scheint als bei den anderen?
Insofern ist es passend, dass das Buch ungefähr drei Schlüsse hat und damit letztlich ohne Auflösung bleibt. Schließlich bezieht sich der titelgebende Mr. Peanut auch weniger auf das mögliche Suizid- oder auch Mordwerkzeug, sondern auf die ungeborenen Kinder, die die Protagonistin gleich mehrfach verliert. Und der Ehegattinnenkiller heißt wohl nicht umsonst Mr. Möbius wie die unauflösbare, verdrehte Endlosschleife, das Band, das Escher so gekonnt-paradox in Szene setzte. Viele metafiktionale Spielereien also …
Aber eines sollte man mich nicht fragen: Ob ich das Buch mag. Es las sich gut, weitestgehend zumindest. Streckenweise schien es mir überambitioniert und am Schluss war ich mir nicht mehr sicher, sind es meine Erwartungen oder die des Autoren, die die Latte unnötig hoch legten? Egal. Ich finde, man muss nicht zu allem einen Meinung haben und erst recht keine eindeutige. Es reicht doch, Spaß beim Lesen gehabt zu haben und auf den einen oder anderen interessanten Gedanken gestoßen zu sein … 😉