Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich Penny Warners „Körpersprache einer Toten“ auslas. Den Kriminalroman aus dem Jahr 1997 fand eine liebe Freundin in ihrem irischen Haus, und da sie weiß, dass ich es mit Gebärdensprache habe, brachte sie ihn mir von dort im Spätherbst mit, denn Connor Westphal, die Ich-Erzählerin und Heldin, ist gehörlos.
Und das in einer Zeit lange bevor Smartphones auch Gehörlosen die Möglichkeit zum Austausch in Echtzeit an jedem beliebigen Ort eröffnten, wo Computer und Internet noch eher eine Angelegenheit für Nerds waren und Videotelefonie für niemand zum Alltag gehörte … sprich: es ist eine Zeitreisse voller kleiner und größerer „Kulturschocks“, je nachdem, ob man die 1990er selbst bereits bewusst erlebte und wie viel Kontakt zu Gehörlosen man hat.
Der Fall ist ein fast klassischer Krimi für seine Zeit: Kleinstadtsetting, überschaubares Personal, jeder kennt jeden, so wie man es bereits aus dem frühen, britischen Krimi kennt auf der einen, Bestattungspraktiken, Friedhofsgestalten, falsche Fährten und eine Heldin, die in thrillermäßige Gefahr gerät auf der anderen Seite. Und natürlich gibt es auch so etwas wie eine Liebesgeschichte unter Spannung, sozusagen.
Was mir sehr gut gefällt: dass Connor Westphal gehörlos ist, ist nicht einfach nur exotische Dekoration. Ihre geschulte Beobachtungsgabe inklusive Lippenlesen ist für die Geschichte genauso wesentlich wie dass ihr natürlich dennoch so manches entgeht, weil sie eben nicht hört und nicht immer alles sehen kann. Ob das für jede/n Gehörlose/n 100% stimmig ist, vermag ich Hörende natürlich nicht zu sagen. Aber da der Signum-Verlag, in dem die deutschsprachige Übersetzung des Romans erschien, seinen Schwerpunkt im Bereich Gebärdensprache hat, gehe ich davon aus, sehr weit daneben wird Penny Warner kaum liegen. 😉
Lesenswert scheint mir der Roman wie möglicherweise die ganze Reihe mit Connor Westphal so oder so. Zumal sie für mich den netten Nebeneffekt hat, dass die 1990er genau das Jahrzehnt sind, in dem ich immer wieder in den USA unterwegs war und diese Lesezeitreise sich für mich so mit einer Erinnerungszeitreise verbindet. 🙂