Ein Stapel Bücher (3)

Allein wenn man den Titel des dritten Buches des Stapels betrachtet, könnte man meinen, es sei ein Fortspinnen der Gedanken und Themen der ersten zwei, gar bewusst als deren Folgelektüre gewählt: „Eine Frau wird älter“ von Ulrike Draesner steht da zu lesen. Aber was steht drin und in welcher Beziehung stehe ich nun dazu?

Ein Stapel Bücher auf einem Holzfußboden. Zuoberst liegt Ulrike Draseners "Eine Frau wird älter"

In meinen Besitz kam es als Geburtstagsgeschenk jedenfalls lang vor den beiden anderen Bücher, so viel ist mal sicher. Wie es jedoch auf meine Wunschliste kam, kann ich nicht mehr 100%ig sicher rekonstruieren. Schon lange hatte ich etwas von Ulrike Draesner lesen wollen. In einem Podcast über Lyrik war ich der Schriftstellerin das erste Mal bewusst begegnet und sofort eingenommen von ihrer Stimme und ihren klugen Gedanken zu Sprache und zum Schreiben. Leider stellte sich damals heraus, dass viele ihre Werke nicht verfügbar oder nur zu für mich unerschwinglichen Preisen zu haben waren. Im Lauf der Zeit stolperte ich immer wieder über ihren Namen, mal bekam sie einen Preis, mal wurde ein aktuelles Werk rezensiert, mal sprach sie übers Übersetzen. Zugleich nah und fern erschien sie mir dabei, und ich konnte mich immer weniger entscheiden, mit welchem ihrer Bücher ich nun beginnen sollte. Bloß dass ich sie lesen wollte, blieb gewiss: „eine blitzgescheite Beobachterin der Welt“ sollte sie doch laut Rezensenten sein, dazu noch eine, „die die Welt poetisiert“, wie hätte ich daran vorbeigekonnt?

Vermutlich hatte es ganz pragmatische Gründe, dass ich ausgerechnet „Eine Frau wird älter“ auf meinen Wunschzettel setzte: Lieferbar, bezahlbar, nahbar und obendrein nicht noch so ein dicker Wälzer wie all die anderen Bücher auf der (damaligen) Wunschliste, das machte doch Sinn. Und wo das mit dem Älterwerden uns alle trifft, meinte meine Schwester, der Titel nichts verriet und neugierig machte, wählte sie es halt für mich aus.

Eine Art Memoir ist es einerseits. Die Autorin erinnert sich an ihr Leben unter dem Aspekt des Frauseins und des Älterwerdens, stellt ihr eigenes Erleben dabei in eine Reihe mit und in Beziehung zu dem, was sie über Mutter. Großmütter, Tanten und andere Vorfahrinnen aber auch Vorfahren in Erfahrung bringen kann. Andererseits ist es ein Essay über die Frage, warum das Älterwerden von Frauen so anders betrachtet wird als das von Männern. Ein zentrales Motiv ist dabei für sie, dass die Wechseljahre entweder gar nicht oder nur negativ, als behandlungsbedürftiges Defizit etwa, besprochen wird. Es gibt keine Worte dafür, keine Modelle. Wenn ein Kind in die Pubertät kommt, ob Junge oder Mädchen, dann eröffnet das Perspektiven, und ja, auch einengende Rollenbilder, gar Geschlechterklischees. Wird frau jedoch älter, scheint das irgendwie ins Leer zu laufen. Dem will sie mit ihrem Buch etwas entgegensetzen und sie tut das, wie schon erwähnt, indem sie ein ganzes Frauenleben, ja eine ganze Reihe von Frauenleben anschaut und auf Entwicklungslinien in alle möglichen Richtungen prüft.

Ähnlich wie Bettina Flittner ist sie in etwa in meinem Alter und auch in ihrer Familie spielen Nachkriegsfluchtgeschichten eine Rolle. Und weil es stimmt, sie ist eine kluge Beobachterin der Wirklichkeit mit viel Sprachwitz dazu, gelingt es ihr immer wieder, mich als Leserin zu überraschen und mir unerwartet neue Blickwinkel zu eröffnen. Das ist gut zu lesen, auch wenn es mir nicht nah kommt.

Ich glaube, das liegt daran, weil unser Blick auf die Bedeutung des Frauseins fürs eigene Leben so unterschiedlich ist. Kinder zu haben, von der Tochter zur Mutter und später dann womöglich zur Großmutter zu werden und so ganz natürlich zum Teil einer Ahninnenreihe zu werden, war nie mein sehnlichster Wunsch. Genau wie mein weiblicher Körper einfach eine biologische Tatsache ist, und natürlich die Umwelt darauf auch immer mal wieder reagiert, für mich persönlich das aber nicht allzu sehr mit Bedeutung aufgeladen ist. Ich weiß, für die meisten Menschen ist das anders, und für die dürfte Draesners Buch womöglich ein doppelter Gewinn sein: etwas eigenes aus einer besonderen Perspektive neu zu lesen, das obendrein unerwartet Denkräume öffnet.

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