Wären manche Algorithmen nicht auf schräge Art unscharf, hätte ich dieses Buch niemals entdeckt – denn eigentlich suchte ich letzten Dezember nach Büchern von Dorothy Parker, als mir Amazon ein Hörbuch mit dem Titel „Zwei Schwestern„, gelesen von Birgit Minichmayr, vorschlug. Das schien wie die Faust aufs Auge zu passen, denn das Buch war als Begleitgeschenk zum Jazz- und Literaturabend „New Yorker Geschichten“ gedacht, bei dem eben diese Schauspielerin aus den Stories der Parker vortragen würde – und das Geschenk wiederum galt meiner Schwester.
Und da ich ja neugierig bin, wollte ich selbst natürlich dieses Buch im Original erstehen – ich meine, wo das Ganze doch als Beiprogramm eines Veranstaltungsbesuch zweier Schwestern gedacht war …. !
Allein, es wollte mir einfach nicht gelingen herauszufinden, welcher Originaltitel von Dorothy Parker dahintersteckt – weder das Internet noch die Umfrage unter befreundeten Parker-Kennerinnen konnten mir da helfen. Also blieb es fürs Geschenk bei Eintrittskarte und „New Yorker Geschichten“, und ich hätte beinahe die Sache vergessen … wäre ich nicht bei einer anderen Buchsuche wieder einmal auch bei Amazon gelandet, um dort erneut den Titel einzugeben und zu erkennen: der Algorithmus unterscheidet nicht zwischen Parker und Baker, wer kommt denn auf so etwas? Aber da ich bei Büchern nicht an Zufälle glaube, besorgte ich mir Bakers Roman aus dem Jahr 1962 also antiquarisch.
Ein Zwillingsschwesternpaar, zwei junge Frauen, die sich lange Zeit nur über eben dieses Schwesternsein identifiziert hatten, die sich lange selbst genügten – bis, ja bis sich die Dinge änderten, aber nicht nur vorübergehend wie Cassandra (die erste und umfänglichere Ich-Erzählerin) dachte, denn nun heiratet Judith (die zweite Ich-Erzählerin) und droht mithin, sich ganz und gar aus der Zwillingssymbiose zu lösen.
Ein spannendes Buch, nicht nur als ein weiteres Zeugnis dafür, auf welche Art gerade in den 1960ern Identität ein Thema in Literatur und Kunst war, sondern endlich mal ein Buch, in dem es wirklich um die Zwillinge geht und diese nicht bloß ein banaler Plotgimmick sind, wie es ansonsten bei Zwillingsgeschichten häufiger der Fall ist.
Dabei ist aus heutiger Sicht die Grundstimmung ebenfalls interessant – der Aufbruch, das Versprechen einer besseren Welt mit mehr, ja schier unendlichen Möglichkeiten auch für Frauen (sofern sie weiß und wohlhabend sind, zumindest), das lässt ein Verständnis von Modernität erkennen, das im Lauf der Zeit wohl verloren ging und im Rückblick paradoxerweise schon fast melancholisch wird. Was aber vielleicht auch daran liegen mag, dass in der schnellen, wortreichen, zugleich gefühlsorientierten wie betont lässigen, coolen Sprache Cassandras die Wisecracks von Screwball Comedy und Serie Noir aus den 1930ern und 1940ern mitschwingen.
Auch, wenn Dorothy Bakers Buch, das im Californien der 1960er angesiedelt ist, somit geradezu maximal weit entfernt von Dorothy Parkers New Yorker Geschichten aus den Zeiten der Prohibition ist, die beiden Autorinnen verbindet mehr als die Namensbeinaheähnlichkeit. Sie beide sind hervorragende Beobachterinnen ihrer Umgebung, verfügen über ein ungeheures Reservoir an sprachlichen Mitteln und sind einfach nur wunderbar zu lesen. Ergo: dieser Zufallsfund war allemal ein sehr glücklicher, weil glücklichmachender! 🙂