In einer Kritik hieß es, Atticus Lishs Perparation for the Next Life sei eine unsentimentale Liebesgeschichte. Ich finde, man könnte sogar sagen, es handelt sich bei dieser Geschichte der Liebe zweier Überlebender um eine Liebesgeschichte für Menschen, die an sich nichts fürs übliche Herzschmerzgedöhns übrig haben.
Skinner kommt von seinem dritten Einsatz als Soldat im Irak zurück und die US-Regierung tut, was Regierungen gerne tun: sie kümmert sich nicht um ihn, sondern lässt ihn mit ein paar tausend Dollar, seinem Assault Pack und einer Handvoll Pillen allein. Dass er tieftraumatisiert ist, dass er unter Panikattacken leidet, dass er depressiv ist – damit habe sein Einsatz absolut nichts zu tun.
Zou Leis Weg aus China führte über Mexiko in die USA – und dort dann unausweichlich in die Illegalität. Als Uigurin, Tochter einer Muslima und eines Soldaten der Nationalen Volksarmee Chinas passt sie hier nicht einmal so recht in die verschiedenen, chinesisschen Communities und bleibt für sich. Allein für die Schilderungen ihres Überlebens in der Illegalität, wie sie sich einrichtet in den Nischen der Grauzonen der Gesellschaft, wo sie sich anpasst und wo sie aufbegehrt, und Zous eigene Sprache, eine Art literarische Version auf der Straße gelernten Pidgin Englishs, würde es sich schon lohnen, diesen Roman zu lesen.
Aber dann treffen die beiden irgendwo im Gewühl von Queens aufeinander und verlieben sich — wenn man denn den Prozess der Annäherung aneinander, der die beiden mehr und mehr zur Insel inmitten einer feindlichen, fremden (fremdgewordenen) Welt werden lässt, so nennen möchte. Sie brauchen einander, sie sehnen sich danach, zusammen zu sein, aber können sich noch nicht einmal eine gemeinsame Wohnung leisten. Sie wollen nichts sehnlicher, als den anderen retten (ohne dass der sich gerettet und von daher womöglich abgeschreckt oder überwältigt fühlt) – er sie heiraten, um ihr zu einer legalen Existenz zu verhelfen, sie ihn von seinen Kriegstraumata heilen -, und scheitern doch daran.
Das wäre eine Lesart des Romans, der, man kann es wohl sagen, ohne zu viel zu verraten, kein klassisches Happy End hat, da die Realität, die hier erzählend verarbeitet wird, ein solches auch nicht kennt. Das ist einerseits konsequent, andererseits hätte ich mir gewünscht, dass der Weg dahin nicht einer dritten Person bedurft hätte:
Auf Jimmy Irish hätte ich sowohl als Antagonist als auch als weitere Perspektivfigur gut verzichten können. Ein weiterer Mensch am unteren Ende der Nahrungskette, vom äußersten Rand der Gesellschaft; ein Krimineller und Gewalttäter, ein Ex-Sträfling und Sohn von Skinners Vermieterin, ein rassistisches und frauenfeindliches Arschloch – kurzum: jemand, von dem nichts Gutes zu erwarten ist, der vielmehr durch und durch böse ist – was soll das? Es ist von seinem ersten Auftritt (immerhin erst in der zweiten Hälfte des Romans) an klar, er wird zerstören, was immer es an Zukunftsperspektiven für Skinner und Zou Lei geben mag, und das wird nicht ohne Tote abgehen.
So kommt es, wenngleich durchaus mit einem gewissen Twist und nach dem tragischen, traurigen Ende obendrein durchaus mit einem Epilog, den man, wenn man will, in gewisser Hinsicht als optimistisch ansehen kann. Schließlich und endlich ist Zou Lei nicht nur eine unverhofft Liebende, die eine ebenso unverhoffte – vorübergehende – Rettung erfährt, sie ist vor allem eine außerordentlich kämpferische Überlebende …