Dass in einer Lok mehr steckt als nur Antriebskraft und ein Lokführer sehr viel mehr kann, als wahlweise Überstunden schieben oder streiken, weiß dank Michael Ende (fast) jedes Kind: Jim Knopf und der Lokomotivführer findet seit Jahrezehnten Wege in Kinderzimmer und -herzen. Regisseurin Anne Spaeter hat die Geschichte von Freundschaft und Abenteuer als phantasievolle Heldenreise auf die Bühne des Essener Grillo-Theaters gebracht und mit dem Ensemble das Publikum verzaubert. Freundschaft mit vier Beinen und sechs Rädern: Sven Seeburg, Michael Del Coco mit der dicken Emma (Foto: Diana Küster)
Dass auf der Insel Lummerland kaum Platz ist, zeigt Fabian Lüdickes Bühne überdeutlich: Übereinander gestapelte Tische sind Berge und Wohnstätten zugleich und zwingen die Bewohnern zum Dauerdrüberklettern und – drunterdurchkriechen. Wie eng wird es hier erst sein, wenn aus dem kleinen Jim Knopf (Michael Del Coco) ein Großer geworden ist? Irgendwer muss weg, entscheidet der König (schon beinahe tragisch: Gregor Henze), und eröffnet Lukas, dem Lokomotivführer (handfest mit Pfeife und Herz: Sven Seeburg), dass auf der Insel kein Platz mehr für die dicke Emma ist. Aber ein Lokführer trennt sich natürlich nicht von seiner Lok und weil sich Jim nicht von Lukas trennen mag, gehen sie zu dritt auf große Reise.
Durchs chinesisch angehauchte Mandala (wo Gregor Henze als Baby Ping Pong sein komisches Talent austoben darf) führt ihr Weg sie über die Wüste des einsamen Scheinriesen (wunderbar gespielt von Felix Lampert) ins dunkle Gebirge und schließlich mithilfe des Halbdrachen Nepomuk (höchst beweglich dargestellt von Flora Pulina, die auch als Prinzessin Li Si glänzt) in die Drachenstadt.
Gruselig schön: Frau Mahlzahn (Ines Krug) mit den gestohlenen Kindern in der unheimlichen Drachenstadt (Foto: Diana Krüger)
Hier terrorisiert Frau Mahlzahn (mit viel Lust am Bösen, Wilden: Ines Krug) nicht nur Prinzessin Li Si aus Mandala, sondern gleich eine Kinderschar aus aller Welt, die Lukas und Jim listig befreien. Gut, die Pyrotechnik beim Kampf zwischen der Drachin und Jim war nicht 100%ig gelungen, aber angesichts all der poetischen Momente (den Schneefall im Dunklen Gebirge, mit dem Emma Jim und Lukas wegweisend rettet, muss man gesehen haben) ist das meinerseits Meckern auf hohem Niveau. 😉
Sehr angenehm hingegen und ein großer Gewinn ist Anne Spaeters Verzicht auf die Ohrwürmer der Augsburger Puppenkiste. Sie setzt statt dessen auf Live-Musik mit den spielfreudigen Musikern (Dominik Dittrich, Bernd Leibbrand, Sebastian Strehler). von „Tante Polly“. Kein Wunder, dass trotz Lukas‘ Ankündigung von „Fassbrause für alle“ nach dem Happy End das Publikum applaudierend auf musikalische Zugaben beharrte. 🙂