Wenn Banken gerettet werden, während Flüchtlinge auf dem Mittelmeer den Tod finden, und sich kaum einer mehr darüber länger als ein bis zwei Tweats lang aufregt, dann könnte man meinen, die Zeit für Kapitalismuskritik auf der Bühne sei gekommen. Das scheint man sich auch im Essener Grillo-Theater gedacht zu haben, und so erlebten heute Abend Die neuen Abenteuer von Don Quijote dort ihre Uraufführung.
Der britische Autor Tariq Ali, seines Zeichens bekennender Marxist, schickt den unverbesserlichen Romantiker Don Q (Silvia Weiskopf) und Sancho P (Jens Ochlast) im Heute auf unmögliche Ritterfahrt, d.h. auf die vergebliche Suche nach gelebten wie lebbaren Idealen. Tapfer versucht sich Don Q an diversen Rettungen – ob einer verfolgten Romni, eines bedrohten irakischen Dichters im Exil -, und stolpert zwischendrin immer wieder, ganz unvermeidlich über sein gebrochenes Herz: Mal trifft er Dulcinea (Ines Krug) als amerikanische Sanitätsoffizierin zwischen lauter kriegsversehrten US-Soldaten im Militärhospital in Landshut, dann verfällt er dem Charme eines homosexuellen Muslim (Tobias Roth) in einer Art Sodomitenwiderstandsgruppe in der Wüste. Und, wie im Original, scheitert er wieder und wieder an der Realität: Die Romni (Anne Schirmacher) flüchtet, als er überlegt, ob nicht der Papst helfen könnte, statt des Dichters werden eben Don Q und Sancho P krankenhausreif geschlagen und der Traum vom Wiederaufbau der Stadt Sodom zeigt sich allzu rasch als Fata Morgana von Geld und Macht, etc. pp.
Nur: Es bleibt bei einer Abfolge einzelner Szenen, die häufig überlang sind – als ob sicher gestellt werden müsste, dass auch noch der letzte im Publikum kapiert, was hier gerade kritisiert wird. Dass zwischen den Szenen keine Brücken enstehen, dürfte primär dem Stück und/oder der Regie (Jean-Claude Berutti) geschuldet zu sein, denn auch in kleineren Dingen stimmt häufig das Timing nicht: so könnten die Dialoge zwischen Sancho Ps Maulesel (Jan Pröhl) und Don Qs Rosinante (Ingrid Domann) gewiss sowohl pointiert als auch witzig sein – aber dafür hätte man sie entsprechend inszenieren müssen, und nicht Jan Pröhl ins überdehnte Schneckenlangsame zwingen müssen. Und was da immer wieder elendslang umgebaut werden muss, so dass die Szenen noch mehr auseinanderfallen, habe ich nicht begriffen: die Bühne bleibt doch bis auf gelegentliche Versatzstücke geradezu nackt. Dann vorm Vorhang, sei er grad durchsichtig oder nicht, singen zu lassen, aber nicht immer von Menschen, die auch singen können, macht die Sache nicht besser.
Was soll man also sagen? Die Schauspieler schlagen sich tapfer, aber wie der ursprüngliche Don Quijote haben sie keine Chance gegen die Windmühlen, die das Regieteam ihnen in den Weg gestellt hat …