Zu cool um gut zu sein

Wahrheit, Echtheit, Authentzität – gelegentlich mögen einem diese Begriffe höchst abgegriffen vorkommen. Was aber passiert, wenn man sie mit Spannung und Coolness mischt? Jonathan Kellerman und Peter Temple haben es versucht, aber so richtig überzeugend sind die Ergebnisse nicht. 

True Detectives hat Jonathan Kellerman seinen 2009 erschienen Thriller genannt. Um zwei (Halb)Brüder geht es, wie sie unterschiedlicher nicht sein können – den weißen Polizisten Moe Reed und den schwarzen Privatdetektiv Aaron Fox. Denn der (alte) Fall, den sie zu klären haben bzw. bei dessen Bearbeitung sie diverses anderes auflesen und lösen, könnte beliebiger kaum sein. Er scheint jedenfalls nicht nur die offiziellen Behörden in L.A. kaum zu interessieren, auch Kellerman selbst verwendet mehr Sorgfalt auf den konstruiert-coolen Kontrast der Ermittlerbrüder. Manchmal hat man gar den Eindruck, der exquisite Inhalt der begehbaren Kleiderschränke wie der Garage von Aaron ist für den Autor das spannendste an der Sache – Namedropping vom Feinsten, sozusagen. Leider vergisst er dabei das Wichtigste zu erklären: Woher stammt das viele Geld, das der Privatdetektiv für sein Luxusleben braucht? Und warum wirkt sein Bruder dagegen geradezu minderbemittelt, trotz ebenfalls reicher & auf ausgleichende Brüdergerechtigkeit bedachter Mutter?
Schade eigentlich. Kellerman reißt durchaus spannende Fragen an – wie lebt es sich als schwarzer Mensch in einer von Weißen dominierten Welt? Wie ist das, wenn dich alle stets misstrauisch anschauen, bloß weil deine Haut dunkler ist als die ihre? Und was macht es mit zwei Brüdern, wenn sie Ebony und Ivory als Kampfduett singen und tanzen könnten?
Leider ist es Kellerman jedoch wichtiger, die beiden cool rüber kommen zu lassen, und er selbst möchte plötzlich, als gestandener Autor, sich sprachlich ebenfalls verjüngen. So deute ich jedenfalls seinen Versuch, plötzlich wie eine Mischung aus Andrew Vachss und Raymond Chandler reloaded zu schreiben. So wird das nichts mit den "wahren Detektiven", schon gar nichts mit dem "echten Leben" …
Gleich um nichts als die Wahrheit geht es Downunder. Doch auch die bleibt in Peter Temples Truth für mich nur allzu schnell auf der Strecke. Es langweilt mich, wenn seitenweise nur Telefondialoge der verknappten Art wiedergegeben werden, und Kapitel in Serie mit "X said …" beginnen. Schlimmer noch als die viel zu sehr auf "knapp ist cool"-gestylte Sprache ist die Überfrachtung des Buches mit einer schier unüberblickbaren Zahl von Polizisten, mächtigen & verdächtigen Menschen, kriminellen & verdächtigen Menschen und Familienmitgliedern sowie Nachbarn der Hauptfigur Steven Villani – jeder einzelne von ihnen korrupt bis kriminell oder zumindest illoyal, betrügerisch, bösartig. Ich bin nun wahrlich kein Fan von Cosys und erst recht nicht der Auffassung, die Welt sei ein Ponyhof oder habe dies zwischen den Buchdeckeln eines Thrillers zu sein – aber wenn alle Katzen gleich grau sind, und ich nicht mal Unterscheidungsmerkmale geliefert bekomme, wie soll mich das Gante dann interessieren, gar mitreißen?
Tja, und so hatte ich mithin zwei Leseerlebnisse, die sich knapp mit "zu cool um gut zu sein" zusammenfassen lassen …

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