Es beginnt alles so gut – die Liebesgeschichte von Johannes Pinneberg (Stefan Migge) und Emma „Lämmchen“ Mörschel (Silvia Weiskopf) selbst wie auch die Bühnenadaption von Hans Falladas Roman „Kleiner Mann – was nun?„, die gestern inszeniert von Thomas Ladwig im Essener Grillo-Theater Premiere feierte. Doch am Ende, wenn Armut und Ausgrenzung der 1930er Jahre den Mut des Paares gebrochen haben und der Black Out sagt, das war’s, bleibe ich leicht ratlos zurück, und das nicht nur, weil mir (natürlich) die Antwort auf die Titelfrage fehlt.
Eigentlich sind alle Zutaten da, die man für einen richtig guten Theaterabend braucht: er startet mit einem kleinen Feuerwerk an Regie-Einfällen, wird gespielt von einem wunderbaren Ensemble und perfekt gerahmt von einem wirklich grandiosen Bühnenbild (Ulrich Leitner). Oft hat man ja den Eindruck, dass Drehbühnendrehen und Versenkungenfahren von einem Mangel ablenken soll, hier passt das eins zu eins zum Leben des Paares, das ein ungewolltes Kind erwartet, heiratet, und sich trotz Wirtschaftskrise in Optimismus und Ehrlichkeit versucht und dabei doch nie auch nur so etwas wie die grundlegene Existenzsicherheit erreicht. Keine Anstellung ist sicher, man verdient bestenfalls noch – manchmal fahren Hoffnung auf, öfter jedoch geht es abwärts und alles dreht sich. So könnte man vielleicht das Zusammenspiel von Handlung, Bühne und Regie beschreiben.
Die Technik funktioniert dabei Eins A und ist so wandelbar, wie sich der Arbeigeber seine Angestellten wünscht: was von der einen Seite nach Pappkartonbehausung in einer Favela aussieht, ist von der anderen ein Warenhaus der Luxusklasse und hat doch aus einem dritten Blickwinkel ein Elendsquartier unterm Dach, das man sich wirklich nur mit verdammt viel Liebe und Verzweiflung so schön reden kann wie Pinneberg und Lämmchen es tun.
Dazwischen, daneben, drumherum sind die anderen, und allein Ines Krug und Jan Pröhl einmal als Mörschels, Lämmchens proletarischen Eltern und dann als Lebefrau Mia Pinneberg und ihrem Liebhaber Jachmann, der zugleich Betrüger und Herzensmensch ist, zuzuschauen, lohnt womöglich schon den Besuch des Stücks.
Denn im engeren Sinne langweilig wird’s einem bei all dem wohl eher nicht. Allerdings bleibt das Ganze letztlich innerlich leer, so kommt es mir vor. Die Nazis und alles direkt Politische und Zeitbezogene des Romans sind auf das absolute Minimum beziehungsweise bis zu Unkenntlichkeit zurückgefahren. Und ob das wirklich nötig ist, damit man den Bogen schlagen von der damaligen Durchkapitalisierung des Lebens zu dessen heutiger Durchökonomisierung, nun, das wage ich zu bezweifeln.
Aber ich weiß nicht einmal, ob das seltsam schale Gefühl, das nach dem Abend bleibt, daher kommt. Keine Ahnung, ob man das Absurde – etwa, dass Lämmchen erst als Hochschwangere und dann als Mutter mit Säugling stets eine Leiter zu ihrem Dachboden hinaufklettern muss und sich das Paar Pinneberg dennoch das Leben immer wieder schönzureden versucht – hätte stärker betonen müssen. Oder, im Gegenteil, ob sie sich noch viel mehr dem, was da mit ihnen geschieht, hätten fügen müssen, ähnlich willig, naiv und beklemmend wie das Paar in „Wenn der Wind weht„. So, wie die Geschichte erzählt wird, sieht man einem absehbaren Abstieg zu – und genau so fühlt sich das Zusehen am Ende dann eben auch an.
Schade. Die Zutaten (siehe oben) waren nahezu perfekt und sind auch ziemlich sehenswert. Aus all dem hätte womöglich noch sehr viel mehr werden können. Immerhin, der Applaus bei der Premiere war anhaltend.