Das erste Mal ist immer was ganz besonderes. Und für den ersten Kriminalroman nicht nur einen Verlag zu finden, sondern hinterher mit einer Nominierung zum Friedrich-Glauser-Preis bestätigt zu bekommen, dass man es „richtig“ gemacht hat, ist überwältigend. Aber zu steigern, indem man wie Harald J. Marburger mit dem Glauser-Preis fürs beste Debüt nach Hause geht. Herzlichen Glückwunsch für die Auszeichnung, die „Totengräberspätzle“ mit seiner Sprachspiellust und seinem geradezu erzählwütigen, auktorialen Erzähler absolut verdient hat! 🙂 Und weil ich ja viel erzählen kann über den Roman, in dem Schwäbisch geschwätzt und Englisch, Italienisch und Russisch gesprochen wird, gibt’s zum Beweis die kurze Szene, die auch bei der Preisverleihung in Halle zu hören war und dann noch ein paar Worte vom Preisträger selbst:
Vier Meter weiter unten klemmt eine Leiche in der Tür.
„Geht‘s?“
„Ha noi! Es klemmt!“
„Dann schieb doch, du Bachel! Scheißglomb, verreggd‘s!“
„Was denkst denn, was ich mach! Vielleicht könntest du mal a bissle mehr ziehen.“
Im Dunkeln, das immer nur kurz durch aufblitzenden Taschenlampenschein erhellt wird, bietet sich ein groteskes Bild: Durch eine schwere Eisentür, die einen Spaltbreit offensteht, ragen zwei lang gestreckte Beine in einen unterirdischen Gang. An den Beinen hängt, schwer atmend und mit hochrotem Kopf, Traditionsbestatter Gottesacker. Schweiß tropft von seinem Schnurrbart. Mit seinen Gummistiefeln versucht er, Halt im Abwasserkanal zu finden.
Auf der anderen Seite schaut der bestrumpfte Kopf seines Sohnes durch den Türspalt. „Wart nal. Wir kriegen den so nicht da durch. Lass uns erstmal überlegen.“
„Schwätz nicht. Schieb lieber. Ein Muggesegggele noch.“
Endlich ist auch noch ein Arm des Don durch die Tür. Dann lässt der Druck abrupt nach.
„Wieso schiebst denn nicht weiter?“
„Vadder, ich hab was gehört“, flüstert es aufgeregt von der anderen Seite.
„Ah wah! Jetzt stell dich nicht so an. Wir haben‘s doch fast.“
Von irgendwoher kommt ein Quietschen, als ob eine Tür aufgeht. Gottesacker erstarrt mitten in der Bewegung. „Jetzt hab ich auch was gehört. Mucksmäuselstill.“
Vater und Sohn Gottesacker verharren in der Dunkelheit. Plötzlich gellt ein schrecklich durchdringender, quiekender Schrei zu ihnen herunter. Getrampel ist zu hören. Irgendetwas fällt um.
„Die kommen! Die kommen“, keucht Anselm panisch.
„Jesses, Maria und Josef! Anselm! Mach schneller, du Lahmarsch!“
„Ich mach doch! Ich mach doch!“
In der Dunkelheit wird verbissen gezogen und geschoben – und endlich: ein reißendes Geräusch, und die Leiche rutscht durch den Türspalt. Weil der Widerstand auf einmal weg ist, plumpst Gottesacker auf den Hintern. Gleich darauf wird er unter hundertzehn Kilo totem Italiener und seinem Sohn begraben. Der lässt vor Schreck die Taschenlampe fallen.
In dem rabenschwarzen Durcheinander von Toten und Lebendigen greift sich jeder schließlich ein Bein, und gemeinsam ziehen sie den toten Mafioso weiter nach hinten in den Abwasserkanal.
(Totengräberspätzle, S. 124 ff)
… und das schrieb mir Harald J. Marburger selbst zur Debütglauserauszeichnung:
Liebe Mischa,ich freu mich natürlich riesig über den Glauser-Preis!! Ganz ehrlich: Als angehender Romancier sitzt man den größten Teil der Zeit zuhause in seinem Kämmerlein, schreibt an irgendwas, was keiner versteht, überlegt sich Plots, die man niemand erklären kann, klebt die Wände mit Zetteln voll und fragt sich die ganze Zeit, ob das wirklich eine gute Idee ist.Da ist so ein Preis eine schöne Bestätigung.Und ja: Der Nachfolge-Roman ist schon in Vorbereitung. Soviel kann ich versprechen: Er wird mindestens genau so verrückt und lustig wie der erste. In „Über den Dächern von Muggenpfuhl.“ (Arbeitstitel) geht es um einen gestohlenen Riesensmaragd und einen mysteriösen Fluch, der das schwäbische Dorf Muggenpfuhl heimsucht.
Wer sich die Wartezeit bis zum zweiten Roman mit dem Lesen des Debüts versüßen will, begibt sich zur Buchhandlung seines Vertrauens und taucht ein in den schwäbischen Totengräber- und Mafiasumpf der komischen Art:
Harald J. Marburger: Totengräberspätzle
Emons Verlag
Mai 2017
sofort lieferbar
ISBN 9783740800659
12,90 € [D]