Eine Frau in einer Lebenskrise, ein Jahr lang beobachtet von Eva Figes, das ist das Thema ihres 1966 erschienen, ersten Romans „Equinox„. Stets nah dran an der Protagonistin Elizabeth Winter bleibt der Text, wechselt dabei manches Mal aus der personalen Perspektive ins Ich, gelegentlich sogar ins Du, um zwischendrin immer wieder im Bewusstseinsstrom der Londonerin zu reisen. Figes beobachtet ihre Zeitgenossen sehr genau, gelegentlich seziert sie sie gar, und dabei schreibt sie ausgesprochen poetisch, das erinnert an Virginia Woolf. Was ja schon mal ziemlich viel Gutes bedeutet. Aber geht das Ganze auch auf?
[…] But I’m different — I don’t have a nice logical job that justifies itself. I’m not equipped for anything, except apparantly for having babies that don’t live. I can use words, I know, but you have to use words for something, you can’t spin them about in a vacuum to make pretty patterns. And I am in a vacuum, I don’t have a life, apart from being your wife […] [Equinox, p. 11]
So bringt Liz ihr Dilemma, ihre Krise gleich zu Anfang des Buches gegenüber ihrem Mann Martin zum Ausdruck, und ich bin sicher nicht die einzige Autorin, die bei der Feststellung, dass man Worte nicht um nichts herumspinnen kann, mit dem Kopf nickt. Genasuso wenig wird Liz‘ Problem, als Ehefrau kein eigenes Leben zu haben, in den 1960ern nur ihrs allein gewesen sein.
„How’s your head?“
„It’s better, but my throat hurts now.“
„Tell your wife she ought to have a baby“, the doctor said half jokingly, „that’ll soon cure her throat. We always recommend babies to ailing wives. Gives them something to do.“ My father cursed, my mother wept, into the friendly world I leapt. Straight into the trap. [Equinox, p. 16]
Böse, komisch, präzise – schwer, das besser auf den Punkt zu bringen, wie ich finde. Eine Zeitanalyse, bei der man sich hüten sollte, hoch- oder gar übermütig zu werden, von wegen, was heute alles anders – und damit implizit natürlich besser – ist. Erst soll sich Liz vom Verlust des Babys erholen, dann soll sie bitte wieder funktionieren, normal werden, nicht eifersüchtig, wie wäre es mit einer kleinen Arbeit? Sie hat doch früher Lyrik verfasst, aber das ist lange her. Dennoch wird sie als eine Art Lektorin in einem Verlag angestellt. Und, ja, es tut irgendwie auch gut. Aber es führt sie nirgends hin, weist ihr keinen Weg. Das ist fast so schlimm wie nervige Weihnachtstraditionen in der Familie:
What to do with this idiotic interim, the sparrow flying through the lighted room? I waste, waste, waste, time and emotions and good intentions. [Equinox, p. 68]
Und unter der Oberfläche liegt ein Abgrund. Denn Figes versteht es, die private Geschichte der jungen Frau, die u.a. auch mit dem Älterwerden hadert (ausgerechnet in diesem Krisenjahr wird sie 30!) mit viel Zeitgeschichtlichem anzureichern. Allein, wie nah, geradezu noch zum Greifen nah der Zweite Weltkrieg 1966 noch, ist mir als in dem Jahr Geborene so nicht bewusst gewesen. Ich musste das als Kind entdecken und begreifen lernen, aber natürlich konnte die Tatsache des Krieges samt Drittem Reich niemand, der 1966 erwachsen war, entgangen sein. Ein Augenöffner für mich, was man nicht alles für selbstverständlich nimmt, wie leicht man den eigenen Tellerrand für den Horizont hält.
Liz‘ Horizont dagegen schrumpft zwischendrin erstmal gewaltig. Sie erkrankt und landet in einem Bettensaal im Krankenhaus – das später offenbar so etwas wie ein wiederkehrendes Thema ähnlich schwieriger Mutter-Tochter-Beziehungen bei Figes werden wird. Kranksein in den 1960ern in England war ganz sicher kein Vergnügen, das scheint fast eine Verbindung zum Heute mit seiner Krise im Gesundheitswesen des Vereinigten Königreichs (die aber natürlich von dieser Seite des Kanal aus betrachtet erstmal kaum mehr als eine Schlagzeile ist).
Liz wird wieder gesund, fängt eine Affäre an, die aber auch nichts ändert, zumal ihr Mann eh nichts dagegen hat. Der ist derweil für drei Monate forschend in den USA. Und dann die letzten drei Monate des Jahres, welches erzählt wird. Kondensiert, zusammengezogen, auf wenige Seiten mit noch weniger Absätzen, rein aus Liz‘ Bewusstsein heraus erzählt. Liz ist allein, so viel scheint klar. Aber viel mehr nicht:
So now for the moment I’m alone. The sun shines. Shines. Burns. The earth turns. To the sun and from the sun at the same time, half light half dark. Midsummer is past and the days are already getting short, after September come the long nights. The earth turns and the sun burns. If the earth stopped turning we woul all fall off. When yu reach a point of stillness most things do drop off, pre-packaged ideas and consolations, for instance, and people, because although there are a lot of them they are all infinitely small, and one person can never be more than one person. Which leaves you alone for the first time, fumbling for words like a child playing with pebbles. Bright blue b blach brown bread: you can go on from there, slowly, carefully, feeling surfaces, guessing at the centre, thinking in. That’s all there is and it’s very simple. Stones, silk, silworm. They’ve gone now, the prepacked mirages, the Gothic architecture, leaving you on your own. Beginning b back. […] [Equinox, p. 191]
Ein neuer Anfang oder das Ende des Realittätssinns? Bedrückender Eintritt in den Wahnsinn oder der Moment der Ruhe vor dem Neubeginn?
Beim ersten Lesen erschien es mir düster, dunkel, bedrückend. Jetzt jedoch klingt deutlich der Aufbruch heraus. Und insofern kann ich dann doch meine (Eingangs)Frage beantworten: auch wenn das Buch manchmal zu sehr das Experiment zu suchen scheint, insgesamt lohnt es das Lesen (und das nicht nur als Debüt einer ganz besonderen Schriftstellerin). Und am Ende geht es auf. Mal so, mal so. Wie Experimente halt sind und das Leben so spielt.