Eine Femme Fatale, eine Verführung, die mit einem Mord endet und einen Unschuldigen hinter Gittern bringt – klassische Hard-Boiled-Zutaten, routiniert geschrieben, aber ein ungewöhnlicher Kniff reicht nicht aus, damit aus Arnaldur Indridasons Tödliche Intrige mehr wird als leidlich spannende, aber letztlich belanglose Urlaubslektüre.
Ich hatte mir mehr versprochen von meinem zweiten Versuch, einen isländischen Thriller zu lesen. Erst recht, wo dessen Autor bereits mehrfach mit dem Nordischen Krimipreis ausgezeichnet wurde.
Manches mag der Übersetzung geschuldet sein – dass in den Nordischen Sprachen jeder jeden duzt, muss noch lang nicht so einfalls- und vor allem distanzlos klingen wie in Corletta Bürlings deutscher Fassung. Immerhin gibt es im Englischen auch nur eine Anredeform, deswegen aber durchaus eine differenzierte Ansprache. Und da ich nicht glaube, dass Isländer (oder Schweden, Dänen, Norweger) jeden Unbekannten genauso ansprechen wie ihren besten Freund, ihre Oma oder ihren Liebhaber, muss es auch möglich sein, das in einer deutschen Übersetzung entsprechend rüberzubringen.
Bei Tödliche Intrige gelingt das nicht. Wie weit das in der Verantwortung der Übersetzerin (und der Tatsache, dass solche Arbeiten notorisch unterbezahlt sind) liegt, und wie viel davon aufs Konto des Autor geht, weiß ich natürlich nicht. Viel Mühe hat sich Indridason mit der Sprache vermutlich nicht gegeben. Nur über wenige Seite gelingt es ihm, die Illusion aufrecht zu erhalten, der von der Femme Fatale verführte Ich-Erzähler sei einfach ein stinknormaler Anwalt.
„Ich besaß noch das schicke Outfit, das ich mir zur feierlichen Entlassung an der Uni zugelegt hatte.“
Spätestens hier (gerade Mal auf S. 28) weiß die aufmerksame Leserin, das ist Unfug, das kann nur eine Frau sein. Und genauso ist es auch – bloß, mehr kommt da nicht. Irgendwann wird offenbar, ja, hier erzählt eine lesbische Anwältin, hui, was für ein Skandal. Sind die Isländer wirklich so rückständig und homophob, wie Indridason sie zeichnet? Ich wage es zu bezweifeln, denn es gelingt ihm ja nicht mal, seine Ich-Erzählerin über den Überraschungseffekt hinweg glaubwürdig zu gestalten. Sie ist eine lesbische Frau, weil er das für den Plot möchte, aber dass sie ist, was sie ist, wirkt sich weder auf die Geschichte aus (sie agiert wie der typische, liebestolle Kerl, der der Femme Fatale ins Netz ging) noch spiegelt es sich in ihrer Sprache, in der Wahrnehmung und Schilderung der Dinge.
Tja. Und so bleibt es dann ein gerade mal mittelmäßiger Thriller, den man an einem langweiligen Nachmittag im Urlaubsliegestuhl weglesen kann, aber keinesfalls lesen muss …