Es wird Zeit, höchste Zeit: Fast auf den Tag genau vor einem Monat kamen wir von unserer Reise mit der MS Richard With auf der Postschiffroute entlang der Küste Norwegens zurück, und ich habe es noch immer nicht geschafft, über dieses atemberaubende Erlebnis zu schreiben. Und dabei haben wir inzwischen sogar den kalendarischen Herbstanfang hinter uns, in den Läden tauchen längst Adventskalender und Spekulatius auf, es wird also höchste Zeit, sich noch einmal an den Sommer zu erinnern.
Vorab: Die MS Richard With ist, genau wie ihre sechs Schwesterschiffe auf der Postschiffroute, ein Postschiff und kein Kreuzfahrtschiff. Das ist nicht einfach nur eine Frage von Tradition oder des Namens. Die Schiffe der Hurtigruten (Expressroute, wenn man so will), verbinden seit 130 Jahren Küstenorte und Inseln auf der Route zwischen Bergen und Kirkenes. Das heißt, in den elf bzw. zwölf Tagen, die die täglich verkehrenden Schiffe für die Hin- und Rückfahrt benötigen, wird an 27 bis 30 Häfen angelegt. Die meisten dieser Halts dauern weniger als ein halbe Stunde, oft wird nur Post zugestellt und vielleicht eine Palette mit Waren mitgenommen. Viele der Menschen, die zusteigen, bleiben nur für ein paar Stunden an Bord, weil für sie das Schiff eine Art Busersatz ist. Mit der Bahn kommt man im Norden Norwegens nur bis Bodo. Und was die Canadian Railway für die Entstehung Kanadas als Staat und Gesellschaft war, das waren die Hurtigruten für den Norden Norwegens mit seinen zigtausend Inseln und den Fjorden an der Küste.
Wir wollten in diesem lang erträumten Urlaub beides: Mit der Bergenbahn fahren und die Küste Norwegens entdecken. Allerdings sind wir beide sonst die Art Urlauber, die sich irgendwo ein gern auch entlegenes Ferienhaus mieten, um dann auf eigene Faust und im eigenen Tempo die Gegend zu erkunden. Pauschalreisen sind nicht unser Ding, große Hotels oder gar Ressorts sind uns ein Graus und die Vorstellung eines Aidameinschiffsonstwie-Kreuzfahrtschiffs mit zigtausend Gästen an Bord der blanke Horror – ökologisch wie auch in jeder anderen Hinsicht. Und in diesem Sommer wollten wir also auf einem Postschiff mit rund 400 anderen Menschen reisen und hatten obendrein die Landausflüge im Vorfeld gebucht (weil uns schon zuhause von den Auswahlmöglichkeiten schwindelig wurde). Trotzdem war ich, die ich bei Reisen zu Anfällen von Katastrophendenken im Vorfeld neige, bis zum ersten Tag auf See unsicher, ob ich mit all dem umgehen kann. Da half es, sich insgeheim zu sagen: Wir legen rund 30 Mal an, wenn du es gar nicht mehr aushältst mit all den Menschen da, haust du halt im Zweifelsfall mit Handgepäck und Kreditkarte ab.
Aber, was soll ich sagen? Das brauchte es nicht. Viel eher hätte die Gefahr bestanden, dass ich am Ende der Reise einfach an Bord geblieben wäre, denn in Norwegen und das Leben auf dem Wasser habe ich mich ziemlich verliebt.
Wie es dazu kam, was wir unterwegs erlebten und was ich las, dazu gibt’s demnächst mehr an dieser Stelle. Versprochen.