Eine eigene Liga: Stuckys Spacecake

Gestern war es endlich wieder so weit: nach 10 Jahren Essen-Abstinenz kam Erika Stucky zurück ins Grillo-Theater und stahl mit „Stucky – Doran – Tacuma: Spacecake“ die Herzen des Publikums. Ein Coup wie ein Bankraub, so nennt sie es selbst, obwohl es mir eher magisch-wild vorkommt und definitiv nicht zu fassen.

Ein kleiner Vorgeschmack aufs Konzert: Das Poster von „Stucky – Doran – Tacuma: Spacecake“

Wie also über den gestrigen Abend schreiben? Zuerst betreten Christy Doran (Gitarre) und Jamaaladeen Tacuma (E-Bass) die Bühne, auf der drei scheinbar wahllos aus dem Fundus herausgegriffene Stühle und ein Tischchen zwischen Instrumenten, Verstärkern, Kabeln stehen. Sie beginnen mit ihren Instrumenten einen Dialog, dessen Rhythmus es praktisch von Anfang an unmöglich macht, die Füße still zu halten. Darunter sind bald andere Geräusche zu hören, schwer greifbar und noch schwerer zu beschreiben, schließlich kommen Schritte hinzu und dann taucht Stucky selbst auf der Bühne auf, singend, sprechend, mit einem Stimmverzerrer arbeitend und wir sind mitten drin. Nur, worin genau?

Ich wünschte, ich wäre nur einmal halbwegs in der Lage, das Erlebnis eines Konzerts mit ihr zu beschreiben. Anders als 2012 und 2014 verlässst sie sich diesmal allein auf die Musik, ihre Stimme und ihre Bühnenpräsenz, Videos kommen keine zum Einsatz und ich vermisse sie auch keine Sekunde. Was ihre Stimme alles kann – wie reich Musik sein kann, die lediglich von zwei Instrumenten getragen wird (zumindest bei Profis wie Doran und Tacuma, und sicher schadet auch die Vertrautheit nicht, die diese drei nach 20 Jahren gemeinsamer Bühnenerfahrung mitbringen), das flasht mich nach wie vor. Ich bin fasziniert, wie sie die Songs interpretiert, ob Voodochild oder Wild Thing, Sergeant Pepper, Purple Rain oder Fly Like an Eagle oder was auch immer – ich glaube, das einzige, was mir gefehlt hat oder was ich jetzt beim Schreiben gerne hätte, ist eine Set Liste.

Aber ob ich damit der Antwort auf die Frage näher käme, wie sie das macht? Wie funktionieren die Transformationen von einem Song zum nächsten, die allesamt so überraschend wie in sich schlüssig sind? Wie schafft sie es, so wortverspielt und poetisch die unterschiedlichen Texte ineinander übergehen zu lassen, während sich darunter Melodielinien und Rhythmen mischen und neugestalten? Für mich ist es großartig, einen Abend nichts zu tun als ihr zuzuhören, wahrzunehmen und dabei zu rätseln und zu staunen,

Sie hat was von Patti Smith in der Art, wie sie mit der Poesie der Texte umgeht, meinte die Freundin, mit der ich im Konzert war. Stimmt. Und wie sie ist sie eine Liga für sich, die jegliche musikalische, stilistische und künstlerische Grenze sprengt. Und so beschloss ich gestern Abend, sollte es Wiedergeburt geben, werde ich beim nächsten Mal Sängerin statt Autorin (falls es dafür irgendwo eine Liste für Vormerkungen gibt, setzt mich bitte drauf ;)). Den Text mit der Stimme und darüber hinaus dem ganzen Körper zu fühlen und zu leben, das ist es, was Stucky auf der Bühne zu tun scheint und was ich mir ganz und gar erfüllend vorstelle.

Womit sie es auch diesmal wieder geschafft hat, mich zum Abschweifen und Stottern zu bringen vor lauter Begeisterung, und das nicht nur am Abend des Konzerts selbst, sondern auch am Tag danach! 🙂

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