Zwei Dinge sollte ich gleich zu Beginn meiner Lektürenotiz klarstellen: Erstens lautet der vollständige Titel von Axel Hackes 2023 bei Dumont erschienem Buch „Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte“ – und es war dieser wunderbar überlange Titel, der mich zum Lesen verlockte und ganz sicher nicht der kleine orangerote Aufkleber rechts oben. Bestseller, denke ich meist, bekommen schon genug Aufmerksamkeit, meine brauchen die nicht auch noch. Und zweitens las ich das Buch bereits kurz vor unserem Sommerurlaub …
Heiterkeit, was für ein schönes, etwas altmodisches Wort. Vermutlich ist Hacke da nicht der einzige, dem Schillers „Ernst ist das Leben, heiter die Kunst“ in den Sinn kommt. Und wie schön, dass Hacke statt eines bloßen Artikels über die Heiterkeit gleich dieses kleine Büchlein verfasste, in dem der seine eigenen Erfahrungen mit dem Thema – vor allem dem Wunsch, ein heiterer Mensch zu sein, jemand, der das Leben dadurch leichter nimmt – mit einer Recherche quer durch die Philosophie der Heiterkeit von der Antike bis heute und der Psychologie des Lachens verbindet.
Spannend war für mich daran nicht zuletzt, dass ich Hacke zwar als Autor eher heiterer, weil humoriger Kolumnen, Geschichten und Bücher im Kopf hatte, er selbst sich jedoch als eher unentspannten, schneller grollenden als leichthin lachenden Menschen beschreibt — eben jemand, der sich den Humor schreibend erarbeitet, womöglich gerade weil ihm die Heiterkeit als gelassene Lebenshaltung eben nicht in die Wiege gelegt ist.
Interessant auch, wie er den Ruf nach Authentiziät in einer dank sozialen Medien daueröffentlichen Welt mit Überernst, Unentspanntheit und der ständige Bereitschaft, nicht nur Kritik zu üben, sondern Häme und Hass über anderen auszuschütten, zusammenbringt. Womöglich könnte man mit dem Verlust des privaten Raums bzw. dem Zwang, immer und überall und erst recht in den sozialen Medien „authentisch“ zu sein (und dabei bitte sehr ernsthaft und moralisch auf der richtigen Seite, wobei es nie unstrittig sein darf, welche das ist …), unsere immer unmenschlichere Formen miteinander und mit uns selbst umzugehen, erklären. Darüber hatte ich jedenfalls bisher so noch nicht nachgedacht — genau wie mir gar nicht klar war, dass ich wohl nicht umhin komme, eines Tages Seneca zu lesen und Epikur auch. Womöglich, nachdem ich Hackes Büchlein noch einmal neu gelesen und mir dann mehr Stellen markiert haben werde, als die beiden, die es mir ziemlich am Ende des Buches sehr angetan haben (leider habe ich das Büchlein viel unterwegs gelesen und hatte nicht immer Klebestreifen dabei …).
Die erste Stelle bezieht sich auf André Heller und sein Buch „Uhren gibt es nicht mehr“, in dem sich Heller mit seiner damals 101jährigen Mutter Elisabeth unterhielt. Dabei fragte er sie, als was sie wiedergeboren werden möchte.
Als große Sommerwiese, antwortete sie, die Blüten, der Duft, die Insekten … Und er?, fragte sie zurück. Vielleicht als wildes Gewitter, war die Antwort des Sohnes, intensiv, turbulent, aber kurz, man könne sich rasch der nächsten Inkarnation zuwenden, „da gehe was weiter“. [Hacke, Heiterkeit, S. 208 f]
Was für ein interessanter, origineller Gedanke! Nicht als wer, sonder als was, nicht großartig und lang, sondern kurz, vergehend, und weiter … was für eine schöne Anregung für ein eigenes Gedankenspiel. Hacke selbst wählt übrigens den 29. März. Ich bin noch unschlüssig – Duft, Rauch oder Moment?
Aber jetzt jedoch fehlt noch das letzte Zitat, eines, das, obwohl ich mir einbilde, meist gelassener und damit ‚heiterer‘ zu sein als Hacke sich beschreibt (zumindest, solange nicht gewisse Vertreter gewisser Parteien im Fernsehen zu sehen sind oder mir Lehrer begegnen, die nicht an die Möglichkeit glauben, dass ihre Schüler*innen etwas lernen könnten), ganz direkt trifft:
Schreiben heißt für mich, das Erstarrte in Bewegung zu bringen, das Schwere in die Luft zu heben und es einfach dort schweben zu lassen, das Lustige im unerklärlich Tristen zu finden und am Ende eines schummrigen Tunnels plötzlich ins Licht zu treten. [Hacke, Heiterkeit, S. 214]
Was für eine schöne, treffende Beschreibung der Kraft, die im Schreiben stecken kann. Oder eben auch der Magie der Heiterkeit und Gelassenheit.