Einmal alte Musik bei Kerzenschein, ein Jazzkonzert und drei Opern sah und hörte ich in den letzten Monaten, kam aber nie dazu, darüber zu schreiben. Höchste Zeit also, dem Nachhall von Händels Messiah, Verdis La Traviata, Donizettis Lucrezia Borgia und Gordon Kampes Dogville sowie dem Pablo Held Trio nachzuspüren.
Dass mir Händels Messiah hier im Blog durchgegangen ist, konnte ich erst gar nicht glauben, hatte ich das doch bereits im Dezember in der Essener Philharmonie erlebt und war tief berührt nach Hause gekommen. So lange hatte ich auf eine Gelegenheit gewartet, endlich einmal bei einem Konzert der Reihe alte Musik bei Kerzenschein dabei zu sein, und Händels Oratorium ist über DAS Hallelujah der Musikgeschichte schlechthin hinaus einfach nur wunderbar, erst recht, wenn es auf historischen Instrumenten (Stichwort: wärmerer, oft auch etwas gedämpfterer Klang, der die Stimmen des Chores und der Solisten um so brillanter funkeln lässt) gespielt wird. Und an Dirigent Justin Doyle ist im allerbesten Sinne ein Tänzer verloren gegangen — ich hoffe, das erscheint ihm nicht despiktierlich, sollte er jemals über diese meine Meinung stolpern, denn aus dem Blickwinkel einer Beinaheprofitänzerin, die normalerweise in Konzerten nicht allzu sehr auf Dirigenten achtet, ist da durch und durch positiv, ja bewundernd gemeint.
Mehr Händel, mehr Barock (verrückt – Musik und Lyrik dieser Zeit ist so berührend, aber mit den gleichzeitig auf dem europäischen Festland entstandenen Sakralbauten kann man mich jagen) war also der Schluss im Dezember letzten Jahres, aber leider wird das zumindest in dieser Spielzeit nichts mehr bei mir. 🙁
Gut, mehr Opern mit dem mitreißenden Verve von GiuseppeVerdis La Traviata, am Essener Aalto Theater mit Cristina Pasariou als höchst lebendiger Violetta, könnten mich bis zur nächsten Spielzeit darüber hinwegtrösten. Selten habe ich eine so stimmige Operninszenierung erlebt wie diese, was aber sicher auch Verdis Fähigkeit geschuldet ist, emotional zutiefst berührende Opernhits zu schaffen. Denn im Gegensatz zu manch anderer Oper, aus der ich in den letzten Monaten überraschenderweise mit „Es ist das höchste der Gefühle“ als Ohrwurm nach Hause kam, obwohl es Jahre her ist, dass ich das letzte Mal in Mozarts Zauberflöte war, waren es nach „Traviata“ ausschließlich Verdi-Melodien, die noch tagelang bei mir blieben.
Den Nachhall von Donizettis Lucrezia Borgia im Detail wieder zu erspüren, ist gar nicht so leicht. Ich weiß, dass ich beeindruckt von Jessica Muirhead in der Titelrolle war und genervt von dem ach-so-tollen Regie-Einfall, Lucrezia nach jeder Szene ermorden zu lassen. Ben Baurs Bühne funktionierte mit ihrem einzigen Setting und dem großen Vorhang hervorragend, seine Regie dagegen … nun ja. Und dass Victor Hugo, dessen gleichnamiges Schauspiel die Vorlage der Oper bildet, in irgendeiner Weise daran gelegen wäre, hinter dem Monstermythos, zu dem das Lucrezia-Bild in all den Jahrhunderten geronnen ist, die Seele der Frau, den Menschen dahinter aufzuspüren, könnte ich nach dem Opernbesuch nicht sagen. Was aber nicht dagegen spricht, sich diese Oper hier in Essen anzuschauen, denn wenngleich ich auch hier wieder mit Mozart im Ohr nach Hause kam, in meiner Erinnerung ist es alles in allem ein schöner Abend gewesen.
Vom Pablo Held Trio fet. Nelson Veras „Ascent“, die ich im März im Grillo sah, ist mir dagegen wenig Gutes in Erinnerung geblieben. Zuerst schien die Abmischung des Tons das Hauptproblem – hinter Klavier (Pablo Held) und Schlagzeug (Jonas Burgwinkel) war zunächst weder der Kontrabass (Robert Landfermann) noch die Gitarre (Nelson Veras) zu hören. Doch auch nachdem das korrigiert worden war, sprang hier kein Funke über – diese Art Jazz ohne den Anflug von Melodiebögen oder einem Rhythmus, der als treibendes wie verbindende Elesment dient, ist wohl einfach nicht meins. Durchkomponiert und zu verkopft, das muss ich nicht haben, und dabei den Eindruck zu haben, der Stargast wäre eigentlich lieber ganz woanders, fühle sich womöglich wie das vierte Rad amd Dreirad, machte die Sache nicht besser.
Eine Sache für den Kopf und nicht fürs Herz, so ließe sich auch Dogville beschreiben, das als Oper von Gordon Kampe nach dem Film von Lars von Trier am Essener Aalto Theater uraufgeführt wurde. Das passt durchaus auch zur abstrakten Qualität der Filmvorlage, dessen Ästhetik in den Besonderheiten der Bühne (Jo Schramm) ein erstaunliches Äquivalent gefunden hat.
Kampes Komposition ist für meine Ohren oft interessant, meist sehr anspruchsvoll, aber es berührt nicht. Was wohl gewollt ist und vielleicht auch besser so – denn im Gegensatz zu Nicole Kidman, deren Film-Grace tatsächlich in all der zunächst subtilen, dann immer roheren Gewalt eine starke Frauenfigur bleibt, bleibt Lavinia Dames bei allen stimmlichen und darstellerischen Qualtitäten vom Libretto wie von der Regie für meine Begriffe viel zu sehr reduziert auf die leidende Frau, das Opfer (seeräuberjennyhafte Rache am Schluss hin oder her). Wäre die Musik emotionaler, wer weiß, was das mit mir gemacht hätte — und ob ich mich noch im Saal lautstark Hannah Schmidts Aufschrei angeschlossen hätte, den ich heute morgen dann zum Frühstück in der ZEIT las.