Ein Stapel Bücher (2)

Sehr weit bin ja gestern beim Versuch, meinen Bücherstapel abzubauen, nicht gekommen. Und da die drei anderen Bücher dort auch noch um ein Vielfaches dicker sind als „We all should be Feminists“ von Chimamanda Ngochi Adichie, bin ich nicht sehr optimistisch, was meine Chancen angeht, heute damit durchzukommen. Am besten also losgelegt, und zwar mit Bettina Flitners „Meine Schwester“.

Ein Stapel Bücher auf dem Holzfußboden. Zuoberst liegt Bettina Flittners "Meine Schwester"

Dieses fand den Weg zu mir über einen Lesesalon, in dem sich BücherFrauen aus der Region treffen (virtuell zumeist in diesen Zeiten), um sich über aktuelle Bücher von Frauen auszutauschen, die als Vorschlag für die Christine, den Literaturpreis der BücherFrauen geeignet wären. Für mich ist das eine spannende und wunderbare Herausforderung, denn bei diesem Preis sind nur Werke der letzten beiden Jahre zugelassen und Aktualität ist normalerweise so ungefähr das letzte Kriterium bei der Auswahl meines Lesestoffs. Aber nun bin ich BücherFrau (was wunderbar zum feministischen Thema von gestern passt, aber das nur am Rande) und wann hab ich schon mal das Vergnügen, mich mit einer ganzen Gruppe kluger Menschen einfach so über Bücher auszutauschen?

Meist stehen zwei oder sogar drei Bücher im Zentrum dieser Treffen (Identitti und Assembly gehörten übrigens auch schon dazu), und ich schätze mich jedes Mal glücklich, wenn ich wenigstens eines davon geschafft habe neben all meiner anderen Lektüre. So ging es mir auch mit Bettina Flittners Buch „Meine Schwester“, in dem die Fotografin schreibend dem Leben ihrer großen Schwester nachspürt, um deren Selbstmord zu verstehen oder doch wenigstens für sich greifbarer zu machen.

Ich selbst bin auch Schwester (und glücklich, dass die meine keinerlei Selbstmordabsichten an den Tag legt) und wir beide sind ein paar Jahre jünger, vielleicht zehn, wenn es hochkommt. Unsere Geschichten vom Aufwachsen in der BRD, teils sogar im Rheinland, überschneiden sich, auch wenn so vieles so anders ist. Wo die Ehe von Flitners Eltern bestenfalls eine Fassade ist, hinter der beide andere lieben und sich heftigst streiten, hatte ich als Teenager das Gefühl, meine Eltern wären ein bisschen seltsam, weil sich rundum fast alle scheiden ließen oder wenigstens in Dauerehekrise lebten. Und selbst, wenn unsere Mutter einen Hang zu Grübeln und dunklen Gedanken hat, so steht sie doch noch immer im Leben, während Flittners Mutter sich in der X-ten Depression (der Zeit der dunklen Vögel, wie es im Buch heißt) selbst aus diesem beförderte.

Aber es geht ja auch nicht um meine persönlichen Parallelen, sondern darum, wie es Flitner gelingt, Familien- und Zeitgeschichte ineinander zu verweben. Das ist ausgesprochen lesenswert und eine Reise in gleich mehrere Frauenleben hier in diesem Land, bei denen Zwänge bzw. die Notwenidgkeit oder die Unmöglichkeit, sich von diesen zu befreien, eine zentrale Rolle spielen.

Wir sollten alle Feministinnen sein und glücklich obendrein. Leider ist das nicht jeder von uns gegeben.

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