Letzten Sonntag hatte ich das Vergnügen, Stefan Herheims Inszenierung von Mozarts „Don Giovanni“ im Essener Aalto-Theater mit einer Freundin zu sehen. Bevor aus diesem wunderbaren Abend ein einziger Erinnerungsmatsch geworden ist, rasch ein paar wilde Notizen.
Bei Mozart kann ich mich nie ganz entscheiden, ob das Verspielte seiner Musik Ausdruck purer Lebensfreude ist oder, im Gegenteil, helles Leuchten über einem dunklen Abgrund. Aber vielleicht schrieb er seine Musik so wild und notenreich auch bloß, weil er es eben konnte? So ähnlich wie Thomas Mann und seine überlangen Sätze, jedoch ohne deren Nervfaktor. Verrückt fand ich allerdings, dass ich mich im großen Finale der Oper dabei ertappte, auf „Es ist das höchste der Gefühle“ zu warten – und das, obwohl mir sehr wohl bewusst war, dass dies aus der „Zauberflöte“ stammt und überdies „Don Giovanni“ auf Italienisch gesungen wird.
Dass nicht wenige Opernfans auf Italienisch als der Opernsprache schlechthin bestehen, erschien mir bis dato ein etwas eigenartiger Hype. Ich meine, man versteht die gesungenen Texte ja so oder so kaum bis gar nicht, warum sollte man einer Sprache einen Vorzug geben? In „Don Giovanni“ sprang mich die Erkenntnis, dass Italienisch von Klang und Sprachmelodie her der Musik näher steht in vielem als etwa das Deutsche, förmlich an. Und das ausgerechnet bei Mozart, dem „Erfinder“ des deutschen Singspiels.
Die Bühne in eine Kathedrale zu verwandeln (Thomas Schuster), führt in Essen nicht nur zu großartigen Bildern, es macht auch Sinn, so, wie Herheim die Sache inszeniert. Zum einen hat gerade die katholische Kirche mit Ritus, Habitus und all den ‚Verkleidungen‘ erstens etwas Opernhaftes, passt zweitens zu Don Giovannis Versteck- und Verführungsspielen und drittens zum Stoff mitsamt dem toten Komtur, der als Statue seine Rache nimmt. Und dass ausgerechnet die Kirche etwas gegen den Frauenhelden hat mit ihrer völlig verqueren, sogenannten Sexualmoral, schmeckt nach Ironie, die wiederum zu Mozarts Musik perfekt passt.
Nicht so passend finde ich dagegen, dass im Aalto die Besetzungslisten eines Abends lediglich bis zu eben diesem auch online abrufbar sind. Deshalb und weil die Fotos die Besetzung der Premiere zeigen, die ich so nicht am letzten Sonntag sah und hörte, bleiben meine Gedanken hier unbebildert. Was schade ist, aber alles andere erschiene mir nicht stimmig.
Bleibt der Wunsch, George Bernhard Shaws „Man and Superman“ wiederzulesen, dessen dritter Akt mit Don Giovanni, Donna Anna und der Statue in die Hölle führt, und danach am besten erneut diese Oper zu besuchen. Denn ich würde gerne überprüfen, ob mein Eindruck, dass Mozart an sich hier sehr modern ist und viel näher dran an Shaws Interpretation von Don Juan als man denken könnte, stimmt.
Und dann brauche ich dringend eine Gelegenheit, noch einmal „Die Zauberflöte“ zu sehen und zu hören, um Schikaneders & Mozarts Ohrwurm aus meinem Hirn zu bekommen. 😉