Verschwurbelt

Es fing so gut an, überraschend gut, denn eigentlich kann ich Thomas Mann weder lesen noch leiden, aber Hans Pleschinskis „Königsallee“, das mir eine liebe Nachbarin geliehen hatte (wohlwissend um meine Neigung), zog mich gleich in seinen Bann:

Die detaillverliebte Beschreibung des „Breidenbacher Hofs“ in Erwartung der bevorstehenden Ankunft des Nobelpreisträgers Thomas Mann in Düssedorf etwa, geschildert aus Sicht all der zahlreichen Menschen, die dort tagaus, tagein ein und aus gehen etwa. Oder die Art, wie die Atmosphäre im Jahr 1954 eingefangen wird, der Krieg noch so nah wie das Nazireich, die Trümmer und die Zerstörung nicht zu übersehen, und hinter der nächsten Ecke lauert quasi schon der Nierentisch samt biederer Bürgerlichkeit – das ist großes Lesekino. Dazu die Erwartungen von großer Welt und Kunstavantgarde vom Rhein, die mit Klaus Heuser und vor allem seinem Vater, dem Kunstprofessor Werner Heuser, in den Roman kommen – herrlich! Als ob sich Pleschinski jedes Detail beim Schreiben genüßlich auf der Zunge zergehen ließ, liest sich das.

Aber dann, Auftritt Thomas Mann nebst Frau und Tochter und für mich ist kurz darauf die Luft raus. Bis dahin ist der Stil, das langatmig auktoriale Erzählen, ausschweifend von Figur zu Figur wandernd, die langen, gedrechselten, an Mann gemahnenden Sätze eine augenzwinkernde Verbeugung vor den sprachlichen und stilistischen Vorlieben des Nobelpreisträgers. Jetzt aber dehnt sich die dünne Handlung ins Endlose. Verschachtelte und ungenaue Sätze verlieren sich im Ungefähren. Figuren verschwafeln sich gestelzt in gespreizten Pseudodialogen. Alles wabert, labert, erinnert, denkt, fühlt und redet ohne Unterlass.

Und weil alles ausgesprochen wird, ob von Figuren oder Erzähler, wird es langweilig, unlesbar für mich. Keine Handlung in Sicht, kein Raum für Geheimnisse, keine Luft für meine Vorstellungskraft beim Lesen. Immerhin eines lehrte mich der Roman: womöglich ist es nur zum Teil der Hang zu überlangen Schachtelsätzen, die weder inhaltlich noch sonst auf den Punkt kommen, der mich an Thomas Mann (wie an Pleschinski) abstößt. Diese Art auktorialen Erzählens langweilt, weil sie mit ihren lauter aneinandergereihten Innenansichten die Handlung erstickt. Und mir will scheinen, den Ausruf „show don’t tell“ müsse jemand verzweifelt während der Lektüre Thomas Manns oder, schlimmer noch, eines bewundernden Epigonen wie Pleschinski getan haben.

Und so war für mich die Reise auf der Königsallee der 1950er etwa auf der Hälfte des Romans vorbei. Dann lieber Stadtgeschichte lesen. Oder schauen, was über die Kunstakademie Düsseldorfs nach dem Krieg zu finden ist …

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