Ich frage mich gerade, inwiefern es unfreiwillig ironisch ist, mit überwiegend hochgelegten Beinen, ein Buch zu lesen, in dem so viel gelaufen wird wie in Petina Gappahs großartigem Roman „Out of Darkness, Shining Light“ – denn dort wird Dr. David Livingstones getrockneter Leichnam tausend Meilen quer durch Afrika getragen.
Das ist einerseits eine historische Tatsache – Dr. David Livingstone verstarb, während er (mal wieder/noch immer) vergeblich die Quelle des Nils suchte, und die Afrikaner, die ihn begleiteten, trugen seine Leiche ans Meer, damit er per Schiff nach Hause gebracht und dort zur letzten Ruhe gebettet würde. Andererseits stehend diese Schwarzen (oder Person of Colour, wie sie sich heute vielleicht selbst nennen würden), die aus allen Teilen Afrikas zu kommen scheinen, deren Glauben, Kultur, Bildungsstand so unterschiedlichi st wie die die Landschaften dieses Kontinents und von denen nicht wenige freigekaufte oder befreite Sklaven sind, sonst eher stumm und übersehen im Schatten weißer Geschichtsschreibung. Petina Gappah aber setzt sie ins Zentrum des Romangeschehens und verleiht zweien von ihnen eine Stimme: die Köchin Halima und Livingstones Sekretär Jacob Wainwright erzählen auf jeweils sehr eigene Art von den Geschehenissen und Hintergründen dieser außerordentlichen Expedition.
Der Kontrast zwischen den zutiefst menschlichen Beobachtungen und Ansichten der scharfzüngigen Köchin und dem überaus frommen, ja frömmelnden, alles Weiße und Christliche ungemein verehrenden Möchtegernmissionar sorgt nicht nur für sehr verschiedene Perspektiven, sondern für ziemlich viel Komik auf der gefährlichen und natürlich auch traurigen Reise. Es ist ein ganz eigener Blick auf Afrika in einem sehr besonderen Moment – einerseits hat sich England in den 1870ern gerade gegen den Sklavenhandel positioniert, andererseits steht in Afrika die große Welle europäischer Kolonialisierung sozusagen unmittelbar bevor.
Ein abenteuerliches Buch, das einen Blick von innen erlaubt, das mich mitnimmt in einen Gegenentwurf zur eurozentrischen Betrachtung des „wilden Afrikas“ eines „Heart of Darkness“ und dabei eine augenzwinkernde Antwort über auf zumindest eine der „Fragen eines lesenden Arbeiters“ von Brecht gibt: Gewiss hatte nicht nur Dr. Livingstone eine Köchin dabei, und auch Cäsar siegte nicht ohne seinen Koch über die Gallier.
Wie schön es doch wäre, träumte ich nach der letzten Seite diess außerordentlichen Romans vor mich hin, wenn noch viel mehr Entdeckungen, Expeditionen und die eine oder andere Erstbesteigung eines Berges in fernen Ländern mal statt aus zumeist weiße Anführerperspektive aus Sicht derjenigen vor Ort erzählt würden, die das jeweilige Unterfangen erst möglich machten. Vor allem, wenn das Ganze dann obendrein auch noch so klug und gut geschrieben wäre, wie Gappahs Roman.