Kurzkritik „Biedermann und die Brandstifter“

Biedermann und die Brandstifter„, das Lehrstück ohne Lehre von Max Frisch ist heute, wo rechtes Gedankengut samt Reden und Handeln immer ’normaler‘ zu werden scheint, aktueller und vielleicht auch nötiger denn je. Das scheint man am Essener Grillo-Theater genauso zu sehen und eröffnete die neue Spielzeit mit einer Inszenierung des Stückes von Moritz Peters, die gestern Premiere feierte.

Bürgerlich und brandgefährlich: Biedermann (Stefan Migge, mitte) mit Brandstiftern (Philipp Noack, rechts & Jan Pröhl) auf Haustreppe vor schwarzen Säcken, die hier die Benzinfässer ersetzen. (Foto: Martin Kaufhold)

Die Bühne (Nehle Balkhausen) ist eine Treppe aus Holz, steil, nicht immer gut zu bespielen für die Akteure, dafür bestens als Projektionsfläche für die zahlreichen Videos mit Bildern, Symbolen und Texten Identitärer und anderer Rechter geeignet. Passt einerseits als Abstraktion gut zum modellhaften, fabel-haften Charakter des Stückes, andererseits braucht genau dieses die Bebilderung in meinen Augen mitnichten. Wenn’s im Schlussbild dann zum Gerippe des Dachstuhls des abgebrannten Hauses Biedermanns wird, ist es für den Moment höchst stimmig.

Abgebrannt ragt Biedermanns Haus als Mahnmal des Nichtsehen- und Nichthandelnwollens in den (Bühnen)Himmel: nes Krug, Thomas Büchel, Sven Seeburg, Philipp Noack (alle stehend vorne); Stefan Migge, Sabine Osthoff (stehend hinten)
Foto: Martin Kaufhold

Der Chor ist seitens Frisch’s brillant geschrieben, von Peters gut eingesetzt und wunderbar gespielt von Ines Krug, Thomas Büchel und Sven Seeburg. Die Brandstifter, dargestellt von Jan Pröhl und Philipp Noack gehen in jeder Hinsicht beseelt und mit Feuereifer ans Werk. Stefan Migge als Biedermann ist mir in manchen Momenten zu karikaturhaft, aber erstens dürfte das von Stück und Regie so gewollt sein, und zweitens spielt Sabine Osthoff die Gattin so mitfühlend in all ihrer Unsicherheit, ihrer Suche nach Maß und Vernunft, dass sie als Paar schon fast perfekt sind.

Schwierig dagegen finde ich, wie viel hier rechtes Gedankengut durch die Brandstifter zitiert wird. Als politische Diskursbeiträge getarnte Kampfbegriffe etwa der Identitären auf die Bühne zu holen, ergibt für mich keinen Sinn, denn es erweitert den des Stücks nicht. Und  den Rechten gar das letzte Wort auf der Bühne zu lassen, geht für mich gar nicht.

P.S.: Die Opernmusik, die im Saal die ersten 45 Minuten der gestrigen Premiere des Stückes aus einem Handy in der Handtasche einer ahnungslosen Zuschauerin erklang und in den leisen Stellen störte, wird ja bestimmt in den späteren Vorstellungen nicht zu hören sein. Das hoffe ich jedenfalls – denn wie immer gilt, ein eigenes Bild der Dinge macht man sich am besten selbst, ganz gleich, ob es um Premieren oder Politik geht.

Dieser Beitrag wurde unter Theater abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.