Vierzehn Sonette voll klassischer Strenge durchflattert von Bläuling, Admiral, Trauermantel und all den anderen Schmetterlingsschönheiten, zusammengebunden als Gedichtkranz mit dem schlicht-schönen Titel „Das Schmetterlingstal“ waren meine Erstbegegnung mit der dänischen Dichterin Inger Christensen, übersetzt von Hanns Grössel – und ich kann nur sagen, ich bin bezaubert.
Vielleicht hätte ich mich erschrocken, hätte ich vorher gewusst, „Sommerfugledalen“, so der Originaltitel, gilt als „europäisches Meisterwerk“. Und wie strikt gebaut das Ganze ist – so konsequent, so stil- und formbewusst, dass man beim Lesen spürt, ach das ist das wahre Wesen des Sonetts, und, stimmt, natürlich, da ist auch noch der Schluss- und Höhepunkt des Ganzen, das fünfzehnte Sonett, das Mastersonett, das durch die Schlussverse der 14 anderen gebildet wird. Was für eine Intensität wird so erzeugt – und wie klar, logisch, ja geradezu zwingend erscheint nach der Lektüre das Sonett an sich und erst recht dieser Sonettkranz.
Als unlesbar bezeichnet das Nachwort ihre Gedichte, was ein Lob sein soll. Und dass Christensen, die das Barock liebte, stets darum rang, die Grenze zwischen Sagbarem und Unsagbarem auszuloten und zu verschieben. Was meiner unbedeutenden Meinung nach eigentlich jede Dichterin und jeder Autor, einfach jeder schreibende Mensch tun sollte, obwohl oder gerade weil nur die wenigsten sich so hohe, man mag auch sagen: perfektionistische, Ziele stecken. Nur weil etwas nie ganz zu errreichen sein mag, heißt ja noch lange nicht, dass man nicht danach streben kann – oder sollte.
Wie viel leichter hat man es da als lesendes Wesen. Da muss man sich bloß auf die besten Lektüren konzentrieren. Was ich auch jetzt tun werde, indem ich ins wunderbare Schmetterlingstal zurückkehre 🙂