Und nun noch einmal im Ganzen die sechseinhalb Gedichte der „Traumlyrik“ – schließlich hat eine Nacht ja auch mehr als eine Traumphase:
REM 6.5
1
O könnte ich
mich häuten wie eine Schlange
wenigstens
mich in einem Kokon verpuppen
wie eine Made, eine Raupe auf dem Weg
zum Schmetterling oder zur Schmeißfliege.
Ach wäre ich
eine Kaulquappe
um mich in einen Frosch zu verwandeln.
Aber ich bin nichts weiter als
ich
bin
ein Mensch
fähig zu träumen fähig
zu zweifeln
doch was
ich bin
bin ich bereits.
Nicht einmal die Hoffnung
ein Wechselbalg
zu sein
bleibt
mir.
2
Entrinnen
mir selbst entkommen
fliehen
nicht sein
was ich bin
kein traum mehr
kein zweifel
alles hinter mir lassen
verlassen
zurückgelassen
nur noch ein
fetzchen epidermis
ach hätte ich
den mut zu gebrauchen
3
ein winziges ritzen
ein kleiner tropfen
tropft
tropft
tropft
und ein klecks
kleckert
tropft
tropft
was siehst du mein herz
wenn du selbst
du allein doch
den roten saft
versprühst
und
diesen flecken
diese zacken
dieses etwas bildest?
4
Manchmal
wie eingenäht
wie zugeschnürt
wie verpackt
so eng
so unentrinnbar
eng umschlossen
überall
ohne unterbrechung
ohne tür tor fenster luke
eingeschlossen von
allen seiten
von oben
unten
selbst zwischen den zehen
überall bist du
haut
und hältst mich
fest
ach hätte ich
ein messer
5
schwebend wie eine feder
einer wolke gleich
nicht mehr als ein windhauch
fern der
erden
schwere
fern meiner
sehnsüchte
fern meiner selbst
und dann
platzt
die seifenblase
die zarte haut
des schlafs zerreißt
zerschnitten der traum
von meinem erwachen
hätte ich ein messer
mich zu befreien
6
traumfeder
messerscharfe
traumkindchen
seidenweiche
traumseele
wundersam
die verletzungen
des tages
weit
weit
weit fort
bis
der morgen
dich einholt
mich zu befreien
den mut
(c) 2014 Mischa Bach