Eine Handvoll (IV)

Eigentlich bin ich kein Fan von „Inselkrimis“ und die meisten angeblich komischen Krimis öden mich an. Okay, so lange wir hier nicht von Jörg Juretzkas Büchern reden. Oder eben denen von Ria Klug – wie auch meine Begegnung mit Die Vollpfostenmasche zeigt. riaklug_vollpfosten

Das wäre dann der erste meiner Handvoll Gedanken zu diesem Buch: es kommt nicht nur aufs Genre an, schon gar nicht aufs Setting (nimm dies, Regiogedöhns! ;-)), sondern vor allem aufs Können des Autors. Und Ria Klug kann komisch.

Zweitens sind Gaunerkomödien oft etwas Feines – siehe etwa diverse Filme der Coen Brothers. Dort wie auch bei den beiden Vollpfosten, die Ria Klug auf Amrum erst einen Feuerlöscher voll Koks finden, und dann einen Käufer dafür suchen lässt, braucht es ein gewisses Maß an Dunkelheit (manchmal auch Ernst), damit die Komik um so heller leuchten kann. Was bei den Coens gern mal existenzielle Fragen sind, ist u.a. das Ringen zwischen Gier und Gesetzestreue in der Verwaltungsmenschenbrust auf Inselurlaub bei Ria K.

Unwillkürlich stellte Hantsch sich vor, wie ein Richter ihn zusammenstauchte, nur weil er nicht Auto fahren konnte. Noch schlimmer, wenn es eine Richterin wäre, die ihn von oben mit Blicken durchbohrte, sodass er kein klares Wort zu seiner Verteidigung herausbrächte. Und was wohl in der Kurverwaltung geschehen würde, wenn das dort herauskäme. Er war nicht verbeamtet und rausgeworfen war man schnell. Schon seit einer ganzen Weile verbreitete der Flurfunk Gerüchte über Stellenabbau. Die Krankenkassen hockten auf dem Geld wie Drachen auf dem Schatz und Kuranträge wurden mit Feuerstößen beantwortet.

(Ria Klug, Die Vollpfostenmasche, S. 27)

Was zu drittens, den Figuren führt: den beiden Gaunerpartnern wider Willen, Tourist Torsten Hantsch, seines Zeichens verwaistes Muttersöhnchen und Kurverwaltungsangestellter und Wartungsdienstmitarbeiter Petter Jensen, der sich von all den fiesen Friesen und elitären Insulanern mies behandelt fühlt. Ob beim Kampf mit echten Verbrechern (wer sonst würde schon Koks in größeren Mengen schmuggeln) oder selbsternannten Inselaufsehern mit Hund, beim Versuch, Tote loszuwerden, an deren Ableben sie irgendwie versehentlich beteiligt waren oder auch nur darum bemüht, zusammen in einem Hotelzimmer zu übernachten, ohne einander oder alle anderen Gäste zu belästigen – da steckt eine Menge Komik drin. Und ein paar Wahrheiten noch dazu.

Hantsch gab keine Antwort. Es wäre ihm auch schwergefallen, denn er presste seinen Mund auf Herrn Kirchners Mund und blies, als habe er eine Luftmatratze in Arbeit.

Was ihm allerdings viel angenehmer gewesen wäre, denn die Matratze hätte nach Kunststoff und nicht nach Bier gerochen und mangels Lippen weit weniger Intimitätsgefühle erzeugt.

(Die Vollpfostenmasche, S. 55)

Viertens kann Ria Klug schreiben. Sprich: Ihre Sprache lebt und verleiht der Geschichte wie den Figuren Leben, der Fantasie des Lesers dagegen Flügel.

Die Fahrertür des Lkws schwang auf und eine Person, die Hantsch mit einem Schlag von all seinen Sorgen ablenkte, sprang heraus.

„Verrätst du mir jetzt endlich, was ihr da habt? Heimlich einen Braten von der Weide geklaut und wisst nicht, wohin mit den Resten?“

Die Frau, wenn es denn wirklich eine war, hatte ungefähr Jensens Größe, in der Breite übertraf sie ihn jedoch gewaltig. Irgendwie quadratisch, dachte Hantsch, der sie gebannt betrachtete. Sonja trug eine Latzhose, in der sie wie ein aufgeblasener Beutel mit diversen Knubbeln aussah. Den Kopf zierte ein strubbeliger Kurzhaarschnitt mit blondierten Strähnen.

„Was gafft der so?“, fragte Sonja Jensen.

„Keine Ahnung“, knurrte Jensen, „aber der ist manchmal ein bisschen balla balla.“

„Braten, Weide …“, murmelte Hantsch, dann brach er in ein unbändiges Gelächter aus.

(Die Vollpfostenmasche, S. 95)

Fünftens habe ich mich also köstlich amüsiert beim Lesen, und wenn ich mich dabei zwischendurch über mich selber wunderte, die ich doch eigentlich keine komischen Krimis mag, schon gar nicht, wenn sie auf irgendwelchen Ferieninseln spielen, um so besser. Und um so passender, dass dieser Roman 2016 für den Friedrich Glauser Preis in der Sparte Roman nominiert war. 🙂

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