Warum lesen wir Menschen – nicht nur Fahrpläne, Gebrauchsanweisungen und meinethalben Zeitungen, sondern auch und vor allem erfundene, erdachte Geschichten? Was macht den Reiz einer solchen aus – die ja eigentlich nur existiert, weil sie so und nicht anders geschrieben wurde? Sind es nur die Bedeutungen der Worte, die Bilder, die sie im Kopf entstehen lassen, oder auch ihr Klang, der Rhythmus? Und wenn ich all das so vor mich hinfrage, beginne ich zu begreifen, dass erotische Literatur in dem Punkt vermutlich nur marginal anders tickt als jedes andere Schrift-Stück, Erzähl-Werk, und, voilá, da sind sie, die Schachbordelle. „35 erotische Gedichte und Geschichten zum Menantes-Preis 2012“ lautet der Untertitel des schmalen Bändchens, den Jens-F. Dwarf herausgegeben hat. Kein Wunder, dass es schmal ist, wenn das Maximum für jede einzelne Erzählung bei fünf Seiten lag.
Willkürlich, aber weise, will mir scheinen. Lust ist im realen Leben, im physischen Dasein ja auch nicht endlos steigerbar, und oftmals ist schon der Versuch ein Galopp in die Sackgasse namens „mehr vom Gleichen“. Was zugleich eines der Probleme beim Verfassen erotischer Literatur sein dürfte, denn während zwischen zwei Laken oftmals das Bewährte wieder und wieder und wieder funktioniert, langweilt das als reine Vorstellung doch extrem rasch. Und das kann mindestens ebensosehr zum Problem werden, wie meine leicht polemisch gefasste Erkenntnis „was dem einen sein Fetisch, ist dem anderen sein Spülhandschuh.“
Zum Glück bedeutet die thematische Festlegung (beinahe hätte ich Fesselung geschrieben … Freud lässt grüßen, aber der hat’s ja auch leicht, bei dem Namen …) keine zwanghafte Wiederholung des immer Gleichen. Natürlich wird jeder Leser unter 35 Einzelstücken eine gewisse Anzahl verzichtbar finden, die dann wiederum genau diejenigen sind, die seinem Nachbarn die reizvollsten und schönsten erscheinen.
Und doch geht es erfreulicherweise um sehr viel mehr als das Bedienen gewisser Erwartungen und den Kick des Überraschenden: vielmehr geht es – zumindest in den Geschichten, die mir darin die besten scheinen – um das Begehren schlechthin. Wo kommt es her, wo führt es hin, was macht es mit mir zu begehren, was begehrt zu werden – was, verdammt, ist das für ein Gefühl?
Doch weil ich diesem Bändchen, das galant-gekonnt den Abhang zum Voyeurismus wie auch zahlreiche andere Klippen umschifft, nicht meine Sicht, meine Vorlieben, meinen Geschmack aufzwängen möchte, belasse ich es dabei.
Den Rest müssen Sie sich selbst ausmalen. Es sei denn, Sie lesen ihn einfach nach.
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Schachbordelle 35 Gedichte und Geschichten zum Menantes-Preis für erotische Dichtung 2012 Die besten 35 aus tausend Gedichten und Geschichten, mit denen sich 550 Autoren aus 13 Ländern um den Preis beworben haben. Mit fünf Zeichnungen von Karl-Georg Hirsch in Rubinrot und dunkelgrünen Vorsatzpapieren. |
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NEUERSCHEINUNG 2012
120 Seiten, Zweifarbdruck in Klappenbroschur |