Nicht einmal ganz zwei Tage habe ich gebraucht, um Britt Reißmanns Blutopfer zu lesen, das mich jedoch ratlos zurückgelassen hat: dass der Wechsel vom Emons- zum Diana-Verlag, von Thea Engel zu Verena Sander als Ermittlerin sich so auswirken würde, hätte ich nicht gedacht. Wenn ich nur wüsste, ob das an mir und meinen Erwartungen liegt oder an dem, was ein großes Publikumsverlag der Random-House-Gruppe von einer neuen Autorin wünscht … immerhin, auf Lovelybooks lieben sie das Buch, also bin ich womöglich einfach bloß nicht das Zielpublikum?
Wie in den Thea-Engel-Romanen zuvor widmet sich Britt Reißmann auf der Inhaltsseite ungewöhnlichen Themen wie etwa dem Glauben der Zeugen Jehovas, der u.a. Bluttransfusionen verbietet und den Folgen, die die Zwangsanpassung an ein Geschlecht für intersexuelle Menschen hat. Anders als jedoch bei Der Traum vom Tod, in dem die Traum-Ebene eine ganz eigene Bildhaftigkeit und Sprache bekommt, wo das Thema Sterben sich gewissermaßen bis in den letzten Winkel der Geschichte zieht, bleiben für mich diesmal die großen Themen, die Reißmann mit Sicherheit gut und gründlich recherchiert hat, eigenartig außen vor. Und wo ich in den Thea-Engel-Romanen überrascht war, wie gut ich mit so viel Ermittlerprivatleben leben kann, bleibe ich bei ihrer neuen Heldin Verena Sander innerlich zumeist unberührt.
Ich bin mir nicht ganz sicher, woran das liegt: Ist es doch zu viel Ermittlerprivatleben auf der einen Seite, gepaart mit zu vielen Zufällen bei den Ermittlungen auf der anderen (dass die Tochter der Ermittlerin die Leiche findet, scheint erst lässlicher Zufall und wird später fast fatal logisch, aber dass diese Tochter zu einer Psychologin kommt, die ‚zufällig‘ in die Vorgeschichte ihrer Mutter gehört und ‚zufällig‘ mit dem Fall verbunden ist, ist doch ein bisschen viel)? Sind diese Figuren vielleicht noch nicht ganz ausgereift, weil eben neu? Fehlen ihnen die Ecken und Kanten ihrer Vorgänger? Ist es das – sind die Dinge hier zu sehr geglättet, vielleicht sogar vom Verlag zu sehr auf Massentauglichkeit getrimmt? Oder ist mein persönlicher Geschmack zu schräg, bin ich zu anspruchsvoll?
Bitte nicht falsch verstehen: Ich gönne und wünsche Britt Reißmann massenhaft Leser. Allein um rauszufinden, ob in einem zweiten, dritten oder vierten Band mit dieser Kommissarin dann wieder die Eigenheiten auftauchen, die in den Thea-Engel-Romanen immer wieder hervorblitzten und die so wunderbar zeigten, was diese Autorin alles kann – und wie weit sich der Begriff des Krimis dehnen lässt, wenn man ihn als Literaturform ernst nimmt.