Das Gesetz der Serie

Der deduktive Kriminalroman – ein Genre, das sich selbst zerstört„, so ist ein Aufsatz von Kathleen Gregory Klein und Joseph Keller überschrieben, der sich mit einigen Eigenheiten der klassischen Kriminalerzählungen beschäftigt. Mir scheint jedoch diese These sehr viel zutreffender, wenn es um das Subgenre des Serienkillerthrillers geht. Ein passendes Beispiel dafür las ich kürzlich: If I Never See You Again von Niamh O’Connor.

Ein Serienkiller macht Dublin unsicher, so oder so ähnlich heißt es im Klappentext, und natürlich gibt es außer der (Serien)Heldin, DI Jo Birmingham, niemanden, der ihn stoppen könnte. Dabei hat die alleinerziehende Jo, die überdies eine der wenigen Frauen bei der Kriminalpolizei ist, schon alle Hände voll mit ungetreuem Noch-Ehemann und Chef Dan wie ihren mehr oder minder misogynen Kollegen zu tun.

Wie in jedem einigermaßen gekonnt gemachten Thriller tappt man als Leser erst einmal eine Weile mit der Protagonistin im Dunkeln, stolpert ihr dann auf – letztlich – falschen Fährten hinterher und wenn sie sich am Ende in Gefahr begibt, weiß man es knapp vor ihr, damit man (ein wenig à la Kasperle-Theater, aber so ist das nun mal in diesem Genre) um so besser mit ihr mitfiebern kann. Allerdings weiß man da dann nur, wer sich auf einen biblisch verbrämten Rachefeldzug begeben hat, denn für das Warum hat er leider sehr viel weniger plausible Gründe als alle falschen Verdächtigen zuvor.

Und das wiederum ist sehr nah an dem, was für mich zu den Grundproblemen des Serienkiller-Genres gehört: Mag sein, während sich die Geschichte vor dem Leser entfaltet, hilft der Serienkiller, bei dem das Wiederzuschlagen ja nun mal dazugehört, Spannung zu erzeugen. Doch am Ende passiert das, was man sonst eher vom Whodunnit kennt: Liegt des Rätsels Lösung auf dem Tisch, bleibt vom Buch, von der Lektüre praktisch nichts mehr übrig. Serienkiller sind einfach zu exotisch, zu weit fort von der Realität der Lesenden entfernt, als dass sie bis dorthinein über das Ende der Erzählung hinaus wirken könnten. Und die Scheingründe, aus denen sie morden und ihre Rituale abziehen, erklären nichts außer sich selbst.

Wie eine Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt. Oder eben ein Genre, das sich selbst zerstört.

P.S.: Einen Bonus hat dieses Buch aber allemal – das Ende nach dem Ende ist kein Happy End sondern ein verdammt gutes, so überraschendes wie plausibles. Allein deshalb würde ich womöglich einen zweiten Versuch mit einem weiteren Buch der Autorin und mit dieser Protagonistin lesen. Erst recht, wenn das dann eines ohne einen (auch noch ritualisierten) Serienkiller wäre …

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