Es heißt ja immer wieder, Krimis seien Bücher, die sich selbst verbrauchten – weil sie, wenn man sie einmal gelesen hat und damit weiß, wer der Täter ist, ihre Spannung verlieren. Mag sein, dass das für reine Rätselkrimi und die ersten Whodunnits gilt; auf Tony Hillermans A Thief of Time (1988) trifft das jedenfalls nicht zu.
Joe Leaphorn, kurz vor der freiwilligen Rente nach dem Tod seiner Frau Emma, und Jim Chee (der Officer zwischen Navajo Tribal Police und der Berufung als Hatathali) stoßen von zwei Enden auf eine Geschichte um eine verschwundene Anthropologin, ermordete Plünderer (thieves of time) und den überraschend lebendigen ertrunkenen Mörder Brigham Houk. Es geht um Tod und (Aus)Sterben (nicht zuletzt das der Old Ones, der Anasazi) und um Fragen der Liebe, die offenbar ebenso sehr Tod verursachen kann (Randall Elliott mordet, um mit wissenschaftlichem Erfolg seine Kollegin Maxie Davis zu beeindrucken) wie den Tod überwinden kann (Houk sr. kümmerte sich sein Leben lang um seinen schizophrenen Sohn, obwohl dieser seine Frau und seine anderen Kinder 20 Jahre vor der Romanhandlung ermordete).
Wie immer spielen die ebenso karge wie grandiose Wüstenlandschaft mit ihren zahllosen Canyons, die für Four Corners und vor allem die Big Reservation so bezeichnend ist, und die sehr spezielle Kultur der Navajo eigene Hauptrollen in diesem Roman. Dass diese beiden mit dem Autor, seinen Figuren und der Handlung verwoben sind, merkt man bereits beim ersten Lesen, doch so manches Detail erschließt sich erst so richtig beim Wiederlesen.
Da ist z.B. das Spannungsfeld zwischen Anthropologie als Erforschung ‚fremder‘ Kulturen und gelebten Traditionen oder auch die verschiedenen Blickwinkel auf die eigene Kultur wie die der anderen – seien es nun Weiße und Navajo, die auf die Ansazi zurückblicken oder die einander zu verstehen versuchen oder auch ‚moderne‘ vs. ‚traditionelle‘ Navajo. Folgt man diesen Spuren, gibt der Roman als Ganzes eine zumindest für mich überraschende Antwort auf die Frage der Anthropologie, was den Menschen und was seine Kultur ausmacht: Die Liebe, so scheint er zu sagen, macht den Mensch zum Menschen. Aber während sie im Guten wie im Schlechten vieles erreichen kann, gelingt es ihr dennoch nur bedingt, ethnische und kulturelle Grenzen zu überwinden. Immerhin, so lese ich das Ende, Versöhnung, Heilung ist möglich … oder, wie die Navajo sagen: walk in beauty.