Authentizität

Schwer auszusprechen und doch in aller Munde: die Authentizität. Und an sich klingt „Echtheit“, „als Original befunden“ oder schlicht wahr nicht schlecht. Wäre da nicht das (mein?) Problem mit allerlei Trends und Moden einerseits und dem ewigen Hang zum Hinterfragen andererseits.

Je öfter betont wird, wie wichtig Authentizität ist, um so weniger glaubwürdig oder wenigstens doch um so zweifelhafter erscheint mir vieles. Was soll ich davon halten, dass  all überall Zeitzeugen zu diesem und jenem vor Fernsehkameras gezerrt werden, um ihre Geschichten zu erzählen und die Behauptung aufgestellt wird, diese seien dann so etwas wie die Wahrheit, gar die Wirklichkeit selbst? Dann all die seltsamen Formate, in denen sich Wirklichkeit und Fiktion mischen, ob nun die „scripted reality“ der Privatsender (also ‚Realität nach Drehbuch‘ oder auch Humbug par excellence) oder die aufwendigen Historienfilme à la „Die Flucht“, „Das Adlon“, „Unsere Väter, unsere Mütter“, die alle ach-so-authentisch sind und am Ende von einer beachtlichen Zahl der Zuschauer für bare Münze, Geschichte pur gehalten werden. Die Krönung des Absurden ist der nächste Schritt, nämlich wenn die Schauspieler eben jener Historienfilme in den Talkshows die Runde machen und ganz genau so über die historischen Ereignisse befragt werden, als ginge es um reale solche und als seien sie deren Zeitzeugen. Schauspieler in Fernsehtalkshows, die über Fernsehfilme reden, als seien sie historische Wahrheiten und das dann als Ausweis der Authentizität.

Da kann ich nur noch den Kopf schütteln und beginne mich für mich zu schämen, weil ich vor vielen Jahren, als ich anfing mit dem Schreiben von Fiktionen, für mich die Maxime ausgab, dies müsse ganz und gar nicht autobiographisch, biographisch oder sonstwie faktenfolgend sein, aber es solle unbedingt authentisch sein. Am liebsten würde ich das arme, viel zu oft ge- und missbrauchte Wort für ein bis zwei Jahrzehnte in Quarantäne schicken und gleich mal die Glaubwürdigkeit als Begriff ebenfalls rationieren. Nicht dass da noch wer auf echt dumme Ideen kommt!

So, und nun steige ich gleich mal wieder runter von Sprachsensibelchens Kanzel und schau noch ein wenig in die Nacht hinaus …

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