Hätte ich Das Dreizehnte Kapitel zuende gelesen, wenn es nicht von Martin Walser wäre? Hätte das Buch überhaupt auch nur irgendwer gelesen, wenn es einen gänzlich unbekannten Verfasser hätte? Vermutlich wäre es schlicht in der Versenkung verschwunden bzw. in der Schublade geblieben. Denn was will man mit solcher Altherrenliteratur – erst recht als Frau?
Ein glücklich verheirateter, älterer Mann trifft eine auch nicht mehr junge Frau auf einem Empfang beim Bundespräsidenten. Und weil ihn die Begegnung wie ein Blitzschlag trifft, beginnt er ihr danach zu schreiben. Ein Briefwechsel entsteht, eine heimliche, nie gelebte, nur wortreich geschriebene Leidenschaft nimmt ihren Lauf und endet schließlich auf genauso zufällige Art und Weise (sorry, lieber M.W., das liest sich so und weder tragisch noch schlüssig oder wie es sonst von seinem Autor gemeint gewesen sein mag). Sprachlich ist es unglaublich verschraubt, verstiegen, geradezu prätentiös. Walser berauscht sich offensichtlich an seiner eigenen Sprache, und hätten meine Nachbarinnen das Buch nicht mit einem Klebezettel „Bitte zurück, falls Sie das Buch genauso doof finden wie wir“ versehen, hätte ich vermutlich auf S. 45 die Waffen gestreckt. So habe ich es teils gelesen, teils durchgeblättert, zumeist jedoch quergelesen bis zum bitteren Ende …
Ich muss ja zugeben, letztlich hat mich das Buch ganz genauso gelangweilt und genervt, wie ich das sonst von Fernseh- und Zeitungsinterviews mit jenem „Großschriftsteller“ kenne. Das hat mich allerdings verwirrt, tendenziell zweifle ich an der Urteilskraft meiner Vorurteile. Ob ich allerdings noch einmal einen anderen Versuch mit einem anderen Roman von Martin Walser mache …? Ich weiß es nicht. Hängt womöglich vom Zettel ab, der dran klebt. Oder davon, wie ich ihm begegne.