Dass die Nominierungen für die Krimipreise des Syndikats raus sind, ist nicht nur für die Nominierten Anlass zum Feiern. Es bedeutet für mich als nunmehr Ex-Jurorin auch, dass ich endlich wieder lesen kann, was ich lesen will, und das auch noch dann, wenn ich es will … Und die ersten beiden "freien Bücher" waren meine Reisebegleiter zur Jurysitzung: J.L. Carrells Die Shakespeare Morde und Paul Austers Mann im Dunkel.
Zwei Bücher für Bücher- bzw. Kulturmenschen und doch höchst verschieden: Wo Die Shakespeare Morde das Debüt der Autorin darstellen und ein Thriller sein wollen, könnte man Paul Austers Buch im positiven Sinne als ein Alterswerk und zudem einen Kommentar zum Zustand der USA nach dem 11. September 2001 lesen.
Er konzentriert sich auf die Geschichte wie die Geschichten von August Brill, eines schlaflosen, 72jährigen Literaturkritikers, und zeichnet in einer Nacht mit dessen Familiengeschichte eben auch den Wandel seines Landes nach den Anschlägen auf das World Trade Center nach. Ein sprödes Buch, an das man sich erst gewöhnen muss, das zwischendrin fantastische bis dystopische Züge annimmt und doch stets Spiegel des Hier und Jetzt ist. Ein gutes Buch, denke ich, denn es hat mich gefesselt, obwohl es der erste Auster war, den ich in deutscher Übersetzung gelesen habe.
J.L. Carrells Die Shakespeare Morde hat womöglich die eine oder andere Wende zu viel und ist in vielerlei Hinsicht mehr ein anglistisches Literaturrätsel gepaart mit diversen Verschwörungstheorien (wer war Shakespeare und wenn er nicht er selbst war, wessen lebendes Pseudonym mag er wohl gewesen sein) denn ein waschechter Thriller. Obwohl es damit fast ein Dan-Brown-Epigone sein könnte – schließlich dürfte nach Christus und der katholischen Kirche Shakespeare Platz zwei in der Verschwörungstheorieauslöserhitliste einnehmen -, liest es sich überraschend gut. Jedenfalls für mich als Anglistin und Shakespeare-Fan (die ich, wie ich mich beeile hinzuzufügen, einerseits nicht einsehe, warum er nicht selbst seine Stüke geschrieben haben soll, und andererseits erst recht nicht begreife, warum nach diversen Jahrhunderten die Urheberfrage von solcher Relevanz sein soll), die ich Dan Browns Machwerke dagegen nicht ertrage. Und bei Mrs. Carrell nehm ich sogar hin, dass ich recht früh ahne, wer der Täter sein muss (man kennt halt seine Thrillermuster) und man hinterher natürlich nicht über den gigantischen Aufwand nachdenken darf, den dieser getrieben hat, damit die Geschichte so läuft, wie sie läuft …
Soll heißen: Wer Shakespeare mag und einen dickeren Thriller ohne Ekelfaktor, dafür mit Weiterbildungspotenzial sucht, wird hier fündig. Wer lieber ein kleines, aber feines Buch lesen möchte und zugleich näher an der Realität wie tiefer in die menschliche Psyche einsteigen möchte, der wird bei Auster besser bedient.
Dunkle Geheimnisse
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