Postbotenprosa, Schafsgeschichten und ein Pinguin

Diesen Monat gab’s nicht so viele Debütromane zu lesen, also blieb mehr Zeit für selbstgewählte Lektüre. Ich machte ein "Picknick auf dem Eis" mit Andrej Kurkow, verbrachte – passend zum hiesigen Wetter – mit Dagmar Trodler einen "letzten, langen Sommer" in Island und erfuhr von Charlotte Weitze "Vom Glück, ein Briefträger zu sein".

Leider war es kein pures Glück, keine reine Freude, letzteres zu lesen. Zu viele lose Enden, zu wenig Logik, da zerfällt die Geschichte im scheinbar ach-so-poetisch-magisch Ungefähren. Dreiviertel des Buches entwickeln durchaus Spannung, egal, wie skurril und auch abwegig die Geschichte vom Albino Kaspar, der unbedingt Postbote sein will, obwohl er doch nie in die Sonne darf, auch sein mag. Man steigt mit ihm aufs Fjell, wundert sich über die einsiedlerische Siedlung und die besonderen Schafe, den seltsamen König, etc. Danach jedoch geht’s nur noch bergab, die holzschnittartigen Figuren mit ihren bemühten Eigenheiten verkommen zu verblassenden Strichmännchen und das war’s dann.
Frau Weitze glaubt, sie brauche drei gute Ideen für einen Roman. Falsch, eine, die man zuende denkt, ist definitiv mehr wert als lauter lose Enden ….
Bei Dagmar Trodler kommt sowas nicht vor, dafür ist sie eine viel zu gewiefte Erzählerin. Auch ihre Geschichte hat durchaus eigenartige Seiten und fantastische Elemente, aber letztlich ergibt sich daraus ein Bogen, entsteht ein Ganzes, eben eine Erzählung. Das ist gut gemacht und liest sich in kürzester Zeit weg, obwohl oder gerade weil zwischendrin nicht viel mehr zu passieren scheint, als dass Lies mal wieder die Schafe versorgt und auf ihren heimlich angebeteten Tierarzt wartet. Ob man das Buch bei aller Leselust ein Stück Literatur im engeren Sinne nennen sollte, bezweifel ich. Sprache an sich interessiert Frau Trodler maximal bedingt. Aber das macht nichts, besser eine gute Erzählerin als eine schlechte Schriftstellerin.
Andrej Kurkow kann sowohl erzählen als auch schreiben und "Picknick auf dem Eis" ist ein schönes Buch nicht nur für Pinguinliebhaber und Fans melancholischer Geschichten. Am Ende siegt die Gerechtigkeit zwar ein bisschen zu poetisch, dennoch, diese Lektüre hat mir Spaß gemacht.

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