Letzte Woche wurde es etwas, nun, sagen wir: hektisch und aufregend für mich. Jetzt ist es gerade sehr ruhig und ich komme endlich wieder zum Schreiben. Ausgerechnet im Krankenhaus und vermutlich ziemlich genau 24 Stunden nach meiner OP, die „meinen Schmetterling befreite“.
Was es damit auf sich hat? Ganz einfach: das ist das Bild, das wir uns für die totale Entfernung der Schilddrüse gewählt haben, nachdem dank des aktuellen, zweiten Schubs eben jenes Organs (also der erneuten Überfunktion der Schilddrüse dank Morbus Basedow) sich der Zustand des mitbetroffenen Auges (die endokrine Orbitopathie) zusehends (pun intended) verschlechtert hatte.
Wie bitte, was? Okay, also nochmal von vorne. Vor ungefähr dreieinhalb Jahren stellte sich heraus, dass etwas, das ich für eine wirklich sehr eklige Magen-Darm-Grippe hielt, tatsächlich eine heftige Schilddrüsenüberfunktion ausgelöst durch Morbus Basedow war. Dabei beschließt das Immunsystem eines schönen Tages, die Schilddrüse als Feind anzugreifen, und die wehrt sich mit der Überfunktion – was, wenn man es nicht rechtzeitig kapiert und es ganz blöd läuft, sogar tödlich enden kann. Was bei mir offenkundig nicht der Fall war, denn ich bin ja noch da. Ich bekam Schilddrüsenblocker, reagierte gut darauf, und das hätte es vielleicht sein können …
… aber dann liefen ein paar Dinge suboptimal, die Behandlung wurde unterbrochen, bei meinem rechten Auge schwoll das Oberlid an, und nach einer kleinen Ärzteodyssee wurde klar, zu früh gefreut. Denn nun hatte ich nicht nur eine neuerlich überschießende Schilddrüse, sondern zudem eine beginnende Orbitopathie. Das heißt, meinem Immunsystem reichte nicht mehr die Schilddrüse als Feind, nein, es musste jetzt auch noch unbedingt Gewebe im Augenbereich attackieren. Ich bekam also wieder Schilddrüsenblocker (die nimmt man bei Basedow mindestens 12, eher 18 Monate – sollte Euch/Ihnen jemand was anderes einreden wollen, wenn Eure/Ihre Diagnose Morbus Basedow hießt, unbedingt sofort den Arzt wechseln!), Lymphdrainage fürs Auge und eine Kortison-Stoßtherapie. Während letztere bei mir jedes Mal Migränen auslöste, vermisse ich erstere nun in Corona-Zeiten doch sehr …
Wie dem auch sei, das mit dem Auge war bis dahin ein rein kosmetisches Problem für mich (und ich stehe ja nicht den ganzen Tag vor dem Spiegel ;-)), die Medikamente wirkten, und irgendwann gab’s dann den tatsächlichen, echten, passenden Auslassversuch. Und ein ganzes Jahr lang sah es bei jeder Kontrolle gut aus, die Schilddrüse funktionierte, wie sie sollte, und am Auge tat sich auch nichts weiter Schlimmes. Bis …
… es Ende letzten Jahres wieder losging. Erst mit der Schilddrüse, dann mit dem Auge – bloß diesmal so, dass ich Probleme mit dem Sehen selbst bekam. Und weil sich diese Probleme nicht besserten, sondern wild schwankten, schlug meine wunderbare Augenärztin bei einem Notfalltermin vor 13 Tagen vor, wir sollten genau das tun, was ich bis dato immer hatte vermeiden wollen: die Schilddrüse aus dem Rennen nehmen („definitive Lösung“ nennen Ärzte das).
Dass das eines Tages auf mich zukommen würde, war mir inzwischen auch klar – spätestens, seit ich mit meinem neuen, niedergelassenen Endokrinologen einen echten Fachmann für die Schilddrüse an meiner Seite habe, der das komplexe Spiel der Organe und Hormone behandeln und erklären kann. Doch erstens ist etwas zu wissen und etwas zu tun, zweierlei, und zweitens hatte ich angenommen, das würden wir irgendwann im Sommer entscheiden.
Nun ja. Meine Augenärztin hatte gleich für den nächsten Donnerstag (also den der letzten Woche) einen Termin mit dem Chirurgen gemacht, den auch der Endokrinologe (schweres Wort, ich weiß, erst recht beim Tippen ;-)) ausgesucht hatte, also blieb mir ja nichts anderes übrig, als hinzugehen. Wiederum fühlte ich mich so gut beraten wie aufgehoben, war dann aber doch überrascht, als es bei der Frage nach dem OP-Termin „nächste Woche“ hieß.
Tja. Und dann hatte ich einiges zu erledigen und vorzubereiten. Vor allem, weil ich es seit 47 Jahren strikt vermieden habe, in ein Krankenhaus zu gehen. Die Panik vor diesen Orten hatte sich zwar im Lauf der Jahre abgenutzt, so dass Krankenbesuche und auch eigene, ambulante Behandlungen – inklusive dreier ebensolcher OPs im Lauf der Jahre – für uns nun problemlos möglich sind, aber in einem Krankenhaus übernachten? Wo unter Corona-Bedingungen kein Besuch möglich ist? Und das, um ein an sich gesundes Organ (die arme Schilddrüse kann ja nichts dafür …) rauszunehmen, das auch noch so verdammt nah an den Stimmbändern klebt, dass wenigstens temporäre Stimmprobleme möglich sind? Überhaupt, wie könnte ich jemand gestatten, an meinem Hals herumzuschneiden — Stopp, halt, sagte an der Stelle meine allerbeste Lymphdrainagen-Therapeutin, Frau K. Das ist das falsche Bild. Das braucht ein anderes, ein positives Bild.
Da ist was dran. Und weil die Schilddrüse die Form eines Schmetterlings hatte, wurde es das Bild „den Schmetterling fortfliegen zu lassen“. Was traurig ist, weil es ein Abschied ist, aber eben auch schön und richtig.
Dieser bitter-süße Mix passt zudem hervorragend auf die Erfahrung meines ersten stationären Krankenhausaufenthaltes im Privatzimmer, dessen Ausblick das Foto zeigt: der Hals tut noch beim Schlucken weh und wann sich mein Auge beruhigt & stabilisiert, bleibt noch abzuwarten, aber alles andere ist genau so, wie es gerade sein muss. Ich bin genau da, wo ich jetzt sein muss, um geheilt zu werden. Und dank Technik in Kontakt mit all denen, die mir anders gerade nicht nah sein können, obwohl sie doch immer so nah an meinem Herzen sind.
Danke an Euch alle – vor allem an all die liebevollen und kompetenten Menschen hier im Krankenhaus! 🙂