Einen würdigen Tod und dabei möglichst wenig leiden, wer wünscht sich das nicht? Und vor dem Ende das Leben noch einmal mit denen zu feiern, die einem wichtig waren, wer würde da nein sagen? Wenn man denn vorher gefragt würde und nicht von seinem Vater/besten Freund/Ex-Mann/heimlichen Liebhaber vor (fast) vollendete Tatsachen gestellt wird. Doch genau das macht Holm (Jens Winterstein) mit seinen Lieben, und damit nimmt ein unvergesslicher Abend erdacht von Magnus Vattrodt und aktuell in Essen inszeniert von Gustav Rueb seinen tragisch-komischen Verlauf.
Alles, aber auch wirklich alles kommt auf den Tisch, nicht nur das Essen, das Adrian (Thomas Büchel) in Holm Küche bereits gekocht hat, bevor sein bester Freund auch nur zu seinen Gästen stößt. Und außer dem Tisch braucht Peter Lehmanns Bühne nur noch ein paar Kochutensilien und ein Boot, das an der Wand lehnt. Das schafft Raum für ein hervorragendes Ensemble, das angesichts der pointierten Dialoge und der immer wieder überraschend kippenden Situationen auch gar nichts weiter braucht: neben „Gastgeber“ Holm, dem selbstgewissen Alt-68er, mag sein Freund Adrian auf den ersten Blick so schwach aussehen wie seine Frau Katharina (Ines Krug) durch und durch hysterisch wirkt; das so überzeugend zu spielen, ist eine starke Leistung. Genau wie das gegensätzliche Schwesternpaar aus naiver Träumerin und Allergikerin Charlotte (Silvia Weiskopf) und zupackender, und zugleich sich doch noch viel mehr der Realität verweigernder Juristin Marie (Floriane Kleinpaß) zu einem unwiderstehlichen Gespann in der Essener Inszenierung wird. Dazu Heiko (Jan Pröhl), der eher zufällig als Maries Chef und Lebensgefährte in all das reingezogen wird, und doch perfekt ins Ganze passt – und last but not least Ella (Monika Bujinski), die Holm und die Mädchen früh verließ und deren unerwartetes Auftauchen allein von daher einiges an Sprengstoff in sich birgt.
Was ist denn nun ein gelungenes Leben? Und was bleibt von den Illusionen, die man sich darüber machte, wenn am Ende statt Harmonie aus- der Streit aufbricht, den bisher alle mit diversen Lebenslügen untern Teppich verbannt hatten? Viel zu viel, um es in einer noch so begeisterten Kritik unterzubringen, handelt es sich doch um die ganze Tragik und all die Komik, die in unserem unfertigen, unvollkommenen Dasein steckt. Weshalb man sich diesen wirklich rundum gelungenen Abend gewiss auch mehrfach ansehen kann, der so ist, wie man sich Theater als Zuschauer wünscht: eine Begegnung nicht nur mit den Gedanken eines Autoren und den Ideen eines Regisseurs, mit der Kunst der Schauspieler und all der anderen Beteiligten im Dienst einer berührenden, mitreißenden, zum Nachdenken anregenden Geschichte – sondern auch eine Begegnung mit sich und den andern im Publikum. Ein Gemeinschaftserlebnis und zugleich eine wunderbare Einladung, sich über den Tod, das einzige Thema, dem niemand von uns entkommt, mal wirklich miteinander zu unterhalten