Nach und nach mache ich mir selbst die Freude, mich quer durch Alice Munros erfreulich umfangreiches Werk längerer und kürzerer Erzählungen zu lesen. Vor wenigen Tagen beendete ich auf dieser „Lesereise“ den Band Too Much Happiness aus dem Jahr 2009.
Was soll ich sagen? Nach wie vor fasziniert mich Munros Beobachtungsgabe, die sie in alltäglichen Dingen das Besondere, und umgekehrt eine ganz eigene Form des ‚Normalen‘ im Absonderlichen aufspüren lässt. Ebenso bemerkenswert ist ihre Fähigkeit, den charakteristischen Moment des Ganzen zu finden, aber so zu erzählen, dass er oftmals gleich mehrfach gebrochen wird, um in den allermeisten Fällen zu einem überraschenden Ende zu kommen, das noch lange nachhallt. Da sie zudem eine eigene, stets präzise, nie überkandidelte Sprache pflegt, kann ich sogar mit ihren gelegentlichen Präsensexperimenten leben — obwohl der Versuch, damit in der titelgebenden Geschichte die Gegenwartshandlung von den Erinnerungen der Protagonistin an frühere Geschehen, für mich absolut nicht glückt. Das macht nichts klarer oder einleuchtender, das ist nicht mal eine Annäherung an die zunehmend fiebernde Protagonistin, das ist bestenfalls leicht zu überlesen und stellenweise sogar erst recht verwirrend.
Dennoch hat mich gerade diese Geschichte vom Lebensende der russischen Mathematikerin und Autorin Sophia Kovalevsky fasziniert. Dimensions und Child’s Play dürften die Erzählungen in diesem Band sein, die mich am stärksten berührt haben (ich las dieses Buch über Monate hinweg, ergo habe ich nicht mehr jede Geschichte gleich deutlich im Gedächtnis), während Wenlock Edge eine sehr ungewöhnliche Mischung aus Alltäglichem und Absonderlichen, ja geradezu Absurden zu bieten hat.
So oder so war es alles in allem eine lohnenswerte Lektüre und ich bin sehr froh, dass auf meinem Stapel mit noch nicht gelesenen Büchern gleich der nächste Band mit Erzählungen von ihr wartet. 🙂