Das goldene Vliess, die Argonauten, der Verräter Jason und allen voran Medea – das alles könnte durchaus für das Sperrige auf der Bühne und das Monströse im Menschen stehen. In Essen kommt man an dem Stoff kaum mehr vorbei, denn Medea gibt’s gleich zwei Mal und das ist keinmal zu viel …
…. wer’s klein und in der kleinen Box in der Casa geradezu in intimer nähe mag, dem sei tränen aus blut: MEDEA mit Judith van der Werff als überzeugender Solistin empfohlen. Sehr viel ‚größer‘ geht’s in Grillparzers Das goldene Vliess auf der Hauptbühne des Grillo-Theaters auch nicht zu, denn das mit dem auf der Hauptbühne ist hier auch fürs Pubikum wörtlich zu verstehen …
… allerdings bin ich kein Theaterkritiker sondern ein leidenschaftlicher Bühnenliebhaber und eben ein schreibender Mensch. Deshalb geht’s mir an dieser Stelle auch weniger um die beiden konkreten Inszienerungen. Was mich fasziniert und beschäftigt, ist der Stoff selbst: Ist Medea wirklich die Barbarin, das Monster, die Frau, die von der betrogenen Liebhaberin/Gattin zur kindermordenden Megäre wird, rasend vor Eifersucht? Was ist mit Jason, dem verräterischen Feigling, der die "schöne Barbarin" benutzt, Kinder mit ihr hat, und sie wegwirft, sobald sich mit Kreons Tochter etwas besseres für ihn ergibt? Ist das Fremde, um das es im antiken Mythos, bei Grillparzer und in nahezu allen Bearbeitungen des Stoffes geht, tatsächlich die fremde Kultur, eine andere Herkunft? Oder geht es um Männer und Frauen als einander Fremde?
Was ich an Medea als Figur so spannend finde, ist ihre Nichtausdeutbarkeit. Man kann sie nicht erschöpfend erklären, zur Gänze interpretieren. Sie ist eine Rechnung, die nicht aufgeht und damit ein Haken im Fleisch. Eigentlich verdammt genial – eine Kunst-Schöpfung, an der sich Menschen auch nach mehr als 2000 Jahren noch (auf)reiben …