Sein Name ist Muldoon, Wanze Muldoon, und sein Beruf ist Schnüffler. Bislang kannte ich den sechsbeinigen Detektiv, der eigentlich ein Käfer ist, nur als Erzähler & Hauptfigur im Roman Die Wanze von Paul Shipton. Heute habe ich ihn das erste Mal live in der Box, der kleinsten Bühne des Essener Grillo-Theaters, erlebt. Und wie Schauspieler Jan Pröhl Muldoon und all seine Freunde, Auftraggeber und Feinde nahezu im Alleingang auf die Bühne zaubert, ist allemal sehenswert. Daran ändert auch der holprige Start der heutigen Premiere nichts … … dass einem Musiker die Saite auf der Bühne reißt, kommt vor. Dass jedoch eben jener Musiker (Tobias Sykora), mit dem Hinweis, er käme in 5 Minuten wieder, in die Garderobe verschwindet, und seinen Kollegen ganz allein auf der Bühne hängen lässt, wo gerade mal die erste knappe Viertelstunde gespielt ist, hat mich schockiert. Was soll denn sowas? Wie kann man so unvorbereitet auf die Bühne gehen – und so unverfroren abhauen?
Dass es Jan Pröhl danach schaffte, wieder zu voller Spielfreude hochzulaufen und sein Publikum mitzunehmen, verdient absolute Hochachtung. Wieviele Kinder ab acht Jahren wirklich die Musik- und Filmzitate (Regie: Thomas Ladwig) wie die genialen Persiflagen (allein der Schlussmonolog der alten Ameisenkönigin als unser aller „Mutti“ alias Angela M. ist hinreißend) erkennen werden, ist da fast nebensächlich, denn ich nehme an, das Stück über die kleine große Welt der Krabbler im Garten (wandelbar auf die Bühne gebracht dank Ausstatter Ulrich Leitner) wird auch so fürs Zielpublikum spannend und unterhaltsam sein. Und die Mission Impossible im Rasenmäher ist sicher nicht nur für Tom-Cruise-Kenner ein Genuss … 😉
Ich hatte jedenfalls nach dem ersten Schock meinen Spaß und habe sogar in diesem Fall zur Abwechslung mal eine richtig gute Antwort auf die Frage gefunden, warum um Himmels Willen immer wieder Romane auf die Bühne gebracht werden müssen: weil Jan Pröhl nicht nur ein cooler Käferdetektiv ist, sondern auch all die anderen Krabbler kongenial auf die kleine Bühne bringt!
So wie ich die Situation beobachtet habe, hatte Schauspieler Jan Pröhl selbst höchstes Interesse daran, dass Musiker Tobias Sykora die Bühne verlässt, um sein Instrument mit einer in der Garderobe gelagerten Ersatzsaite zu reparieren. Das hat mit „unvorbereitet“ also nichts zu tun, eher im Gegenteil, denn Herr Sykora hätte auch keine Ersatzsaite dabei haben können. In diesem Sinne, ja, richtig: „Das so etwas passiert, kommt vor.“ Kein Grund also, „schockiert“ zu sein. Freuen wir uns doch lieber darüber, dass es in Essen hoch qualitatives pofessionelles Theater für Kinder gibt, das auch das Potential hat, Erwachsene zu begeistern. Hut ab vor den beiden Protagonisten, die auf alle Situationen vorbereitet zu sein scheinen und sogar nach einer unvorhersehbaren Unterbrechung (beide!) wieder zurück ins Stück finden. Da hat Regisseur Thomas Ladwig wirklich ein großartiges Team geformt. Mehr davon!
Das sehe ich anders: Ich habe es immer mal wieder in Konzerten erlebt, dass Saiten rissen – und kannte bislang nur zwei professionelle Reaktionen darauf: Entweder hatte der Betreffende Ersatzsaiten dabei und reparierte das Instrument auf offener Bühne oder es wurde mit einer Saite weniger, deswegen aber nicht mit geringerer musikalischer Qualität weitergespielt. Und ich lasse mir von niemandem meine ureigene Reaktionen auf etwas absprechen – wenn ich schockiert bin, dann schreibe ich das auch hin. Trotzdem ist es natürlich schön, dass Sie Ihre Meinung mitgeteilt haben.